LEBENSLAUF VON SEJJID TÂHÂ-I HAKKARÎ,
RELIGIONSFÜHRER VON SEJJID FEHÎM-I ARWÂSÎ
Sejjid Tâhâ, möge Allah mit ihm barmherzig sein, war einer der großen Heiligen und entstammte dem Nachkommen von Sejjid Abdul-kadir-i Gelani, möge Allah mit ihm barmherzig sein. Er war vollkommener Stellvertreter von Mewlânâ Hâlid-i Baghdâdî, möge Allah mit ihm barmherzig sein, und Schatz göttlicher Eingebung.
Nachdem Mewlânâ Hâlid, der Religionsführer des dreizehnten Jahrhunderts in Indien angekommen war, besuchte er Gulam-ı Ali Abdullah-ı Dehlewî und wurde somit mit seiner Anwesenheit verehrt. Dadurch erreichte er Segen und Vollkommenheit. Danach kehrte er in seine Heimat Bagdad zurück, damit er die Menschen auf den Rechten Weg ALLAHs, des Erhabenen, leite.
Sein Freund Sejjid Abdullah besuchte Mewlânâ Hâlid in Bagdad, wo das spirituelle Licht, das vom Herzen von Mewlânâ herausfloß, überall Aufnahme fand. Durch die Unterhaltungen erreichte er den Rang der Vollkommenheit und wurde von Mewlânâ zum nächsten Vertreter ernannt. Danach sagte er zu Mewlânâ, daß der Sohn seines Bruders, Sejjid Tâhâ, eine wunderbare, bewunderswerte Begabung habe. Mewlânâ, möge Allah mit ihm barmherzig sein, befahl Sejjid Abdullah, beim nächsten Besuch auch Sejjid Taha mitzubringen. Er tat das Gesagte. Sobald Mewlana, möge Allah mit ihm barmherzig sein, Sejjid Tâhâ sah, bat er ihn, an das Grabmal von Sejjid Abd ul-kâdir-i Gelani, möge Allah mit ihm barmherzig sein, zu gehen und dort Erleuchtungsgebet[3] zu verrichten, Abd ul- Kadir-i Gejlani, möge Allah mit ihm barmherzig sein, verkündete ihm im Traumschlaf, dass es keinen begabten, getreuen Anhänger seines Derwischordens, seines eigenen Weges mehr gebe, obwohl er sehr hervorragend war, daneben Mewlânâ Halid, möge Allah mit ihm barmherzig sein, als absoluter Religionsführer seiner eigenen Zeit galt. Und er befahl ihm auch, bei ihm in die Lehre zu gehen. Nach diesem Auftrag und Erlaubnis nahm er achtzig Tage lang an seinen Unterhaltungen teil. Danach kam er in die Provinzstadt Berde Sur. Nachdem Sejjid Abdullah gestorben war, begann Sejjid Tâhâ in der Provinzstadt Nehri vorzulesen, wohin er später umzog. Zweiundvierzig Jahre lang, also bis zum Jahre 1269 [1853], bis er starb, zogen seine Schüler von seinen Unterhaltungen Nutzen. Die in ihn Verliebten kamen von überall um die geistige Lichtquelle zusammen. Damals war auch Sejjid Muhammed, der der Großvater des Vaters von Abdulhakîm- Arwâsî, möge Allah mit ihm barmherzig sein, von Van gekommen und hatte von dieser Quelle Nutzen gezogen. Immer wenn Sejjid Tâhâ nach Van kam, übernachtete er im Hause von Sejjid Muhammed. Als Sıbghatullah Effendi, der Sohn von Lutfi, dem Bruder von Sejjid Muhammed, von Hizzan nach Van kam, wurde er zum Schüler von Tâhâ Effendi. Nachdem Sıbqhatullah Effendi zu seinem Vater in Hizzan gezogen war, wurde er berühmt. Er ging jedes Jahr mit Hunderten von seinen Schülern nach Nehri zum Besuch des absoluten Religionsführes Sejjid Tâhâ, möge Allah mit ihm barmherzig sein. Eines Jahres nahm er Sejjid Fehim mit, den Sohn seines Onkels Molla Abdülhamid Effendi, der noch jung war. Sejjid Fehim fragte an einem Abend den Hausbesitzer, bei dem er übernachtete, was der Gouverneur von Hakkarî für ein Mensch sei. Er erfuhr von ihm, dass dieser Tag und Nacht betrunken war. Er übernachtete im Gedanken darüber, wie man in einem Land leben könnte, dessen Gouverneur immer betrunken ist. Am nächsten Tag kamen sie ins Dorf Rasûlan an. Sıbghatullah Effendi fragte die anwesenden Bewohner, wie sie den Gouverneur kannten. Sie bezeichneten ihn als einen guten Menschen. Gleich erwiderte Sejjid Fehim: “Mein Vetter, er ist doch ein Betrunkener, wie kann man von seiner Güte sprechen?” Während sie von Baschkale nach Nehri zogen, schärfte Sejjid Muhammed Effendi, Sejjid Fehim folgendes ein: “Mein Kind Fehim. Sejjid Tâhâ, bei dem du in die Lehre eintreten sollst, ist eine sehr angesehene Person. Er hat die Ehrenstelle der größten Heiligen. Trenn dich ja nicht von ihm, bevor du von ihm Güte gezogen und die geistige Vollkommenheit erreicht hast.” Während sie Nehri verließen, stand Sejjid Tâhâ vor der Moschee. Alle dort küssten ihm die Hand. Währenddessen sah Sıbghatullah Effendi, dass Sejjid Fehim zurück blieb. Er bat Sejjid Tâhâ, möge Allah mit ihm barmherzig sein, darum, auch zurück zu kehren. Er erlaubte das nicht und sagte: “Er soll bei mir weiterbleiben.” Gleich nachdem die Gäste weggegangen waren, gab er dort Sejjid Fehim im Stehen einen Auftrag und ließ ihn üben. An einem heißen Tag ließ er ihn sein Erlerntes wiederholen. Während er alles unverzüglich wiederholte, machte er nur einen einzigen Fehler, indem er anstelle des Ausdrucks “haatt-ı tûlânî” das Wort “hatt-ı tûlî” aussprach. Sejjid Tâhâ verbesserte das gleich. In dieser Zeit war Sejjid Fehim sehr jung. Er hatte noch nicht alle Fächer belegt. Eines Tages kam Sejjid Fehim zu Sejjid Tâhâ, während dieser an die Wand der Moschee gestützt saß. Sejjid Tâhâ winkte ihm, mit seiner gesegneten Hand zu. Sejjid Fehim ging an ihn heran und Sejjid Tâhâ sprach: “Du bist ein intelligenter Schüler. Du sollst “Sprachwissenschaften” studieren.” Sejjid Fehim, erwiderte: “Mein Herr, ich habe kein Sprachbuch. Außerdem ist es nicht nur ein Buch, welches in unserem Land unterrichtet wird.” Daraufhin gab ihm Sejjid Tâhâ sein eigenes Sprachbuch. Sejjid Fehim wurde später zum Abschluss seines Studiums zu Molla Rasûl im Dorf Abiri im Bezirk Bulanık der Stadt Musch geschickt. Er studierte “Sprachwissenschaften” bei Molla Ressûl. Während dieses Studiums reiste er zweimal im Jahre nach Nehri (Schamdinan), damit er durch die geistige Ausbildung eine hohe Stelle der Heiligen erreichen konnte. Immer wenn er nach Schamdinan kam, erfuhr er Sejjid Tâhâs liebenswürdige Aufnahme. Ein Beispiel dafür: Eines Tages las Sejjid Tâhâ im Vorraum der Moschee aus dem berühmten Buch “Mektubat” vor. Es war dort eine große Schülermenge vorhanden. Sejjid Fehim folgte der Vorlesung im Stehen von weit her. Sejjid Tâhâ hob seinen Kopf vom Buch auf: “Molla Fehim. Gibt es zur Zeit keinen obsoluten Religionsführer?” Sejjid Fehim antwortete: “Es gibt keinen wie dieser, der jetzt da sitzt.” Nach dieser Antwort schloss er das Buch und ging in sein Zimmer.
Als Sejjid Fehim den mystischen Rang der Vollendung und Vollkommenheit erreichte und danach zum absoluten Religionsgelehrten ernannt wurde, sagte er aus, dass er nicht dafür begabt sei. Trotzdem beharrte Sejjid Tâhâ darauf, sodass er diese Mission annahm und befahl ihm, in seine Heimat “Arwâs” zurückzukehren. Während er auf dem Weg einen Berg bei Nehri hinaufstieg, rief ihn Sejjid Tâhâ zurück und zeigte ihm die Briefe, die er an ihn, seinen Lehrer Sejjid Tâhâ, geschrieben hatte, und sagte: “Weisen diese denn nicht auf deine reinen Gedanken und deine Liebe in deinem Herzen zu mir hin? Warum willst du diese Verantwortung, diese Aufgabe nicht auf dich nehmen? “Auch nachdem er die Ehre des absoluten Religionsführers erreicht hatte, besuchte er wie vorher seinen Meister Sejjid Tâhâ in Nehri (Schamdinan).
Sejjid Tâhâ, möge Allah mit ihm barmherzig sein, starb 1269 (1852). An einem Nachmittag saß er unter einem Baum und es wurden ihm zwei Briefe vorgelegt. Er ließ seinen Schwiegersohn Abd-alehad sie vorlesen und sagte danach: “Es ist schon die höchste Zeit, mich zu verabschieden.” Daraufhin sagte sein Schwiegersohn: “Ach, mein Herr. Was sollen wir mit diesen zwei Briefen machen, die von Damaskus geschickt sind?” An demselben Tag begab er sich nach der Rezitation der Gebete in sein Zimmer. Er blieb zwölf Tage lang krank im Bett liegen. Seine segensreiche Seele wurde eines Nachmittags befreit und stieg in Refik-i alâ[4] auf.
Tausende von seinen Bewunderern, die die weinende Stimmen hörten, waren erstaunt. Vor seinem Tod ließ er Scheich Sâlih, seinen Bruder rufen, der im Dorf “Berde Sur” wohnte. Er befahl seinem vorzüglichen Bruder Sejjid Sâlih, die bestimmten Andachtsgebete innerlich zu rezitieren und sagte: “Mein Bruder Sâlih ist eine vorzügliche Person. Leute leben unter seinem Schutz.” Sejjid Fehim nahm sich Scheich Sejjid Sâlih als Religionsführer an.
Bis zum Jahr 1281 (1864), an dem Scheich Sâlih starb, besuchte er ihn zweimal im Jahr auf seiner Fahrt von Arwas nach Nehri (Schamdinan). Diesen Brauch gab er auch nach dem Tod von Scheich Salih nicht auf. Bis zu seinem eigenen Tod (1313/1895) besuchte er jährlich zweimal die Bezirkstadt Nehri.
[3] Das nach Vornahme der rituellen Waschung verrichtete und gesprochene Gebet um innere Erleuchtung (einschließlich des unmittelbar folgenden Schlafengehens).
[4] Die Ehrenstelle, in der sich die Seelen der Propheten, der Heiligen und der Rechtschaffenen Moslems befinden.