Die siebte der Krankheiten des Herzens, d.h. der schlechten Charakterzüge, ist das Befolgen der „Hawâ“ genannten Wünsche der Triebseele (Nafs), ihrer Begierden und ihrer Gelüste.

 

Dass dies schlecht ist, wird in den Versen des edlen Korans ausdrücklich erklärt. Darüber, dass die Wünsche der Triebseele den Menschen vom Weg Allahs abbringen, wird im edlen Koran berichtet. Denn die Triebseele versucht immerzu, Allah, den Erhabenen, zu verleugnen, Ihm zu trotzen und sich gegen Ihn aufzulehnen. In all seinen Angelegenheiten den Wünschen der Triebseele Folge zu leisten bedeutet, die Triebseele zu vergöttern. Wer seiner Triebseele folgt, treibt in den Kufr oder wird zu einem der Ahl al-Bid’a oder zu einem Fâsiq (Sünder; jemand, der die Mahârim missachtet).

 

Abû Bakr at-Tamistânîmöge Allah mit ihm barmherzig sein, sagte;

„Die Errettung davor, der Triebseele zu folgen, ist die größte aller Gaben im Diesseits. Denn die Triebseele ist der größte aller Schleier zwischen Allah, dem Erhabenen, und Seinem Diener.“

 

 

Sahl ibn Abdullah at-Tustarî [283 n. H. in Basra] sagte:

„Die wertvollste aller Ibâdât ist, der Triebseele nicht zu folgen.“

 

Islâm ibn Yûsuf al-Balchî überreichte Khâtam al-Asâm [237 n. H.] ein Geschenk und als Khâtam das Geschenk annahm, wurde er gefragt, ob die Annahme des Geschenkes nicht die Befolgung eines Wunsches der Triebseele sei. Er antwortete:

„Durch die Annahme des Geschenkes habe ich mich erniedrigt und ihn erhöht. Hätte ich es abgelehnt, hätte ich mich erhöht und ihn erniedrigt und dies hätte meiner Triebseele gefallen.“

 

 

Zum Ende eines längeren ehrwürdigen Hadith sagte der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, sinngemäß:

Die Sachen, die den Menschen ins Verderben zerren, sind drei: Geiz, den Wünschen der Triebseele zu folgen und Selbstgefälligkeit (Udschb).“

 

 

Imâm al-Ghazâlî, möge Allah mit ihm barmherzig sein, sagte:

„Der größte Schleier, der verhindert, dass der Beistand Allahs, des Erhabenen, dem Menschen zukommt, ist Selbstgefälligkeit.“

 

Das bedeutet, seine Fehler nicht wahrzunehmen und an seinen Ibâdât Gefallen zu finden.

 

 

ÎsâFriede sei mit ihm, sagte:

„O ihr Apostel! Der Wind blies so manches Licht aus. Und die Selbstgefälligkeit löschte so manche Ibâda, so manche Belohnung für sie aus.“

 

 

In einem ehrwürdigen Hadith wird sinngemäß überliefert:

Ich fürchte für meine Gemeinschaft (Umma) sehr, dass sie zwei schlechten Charakterzügen verfällt. Diese sind, dass man der Triebseele folgt und dass man das Verbotene verrichtet, indem man den Tod vergisst.

 

Der Triebseele zu folgen verhindert die Befolgung des Islam. Das Vergessen des Todes führt dazu, der Triebseele zu folgen.

 

In einem weiteren ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:

„Das Zeichen für Verstand ist, die Triebseele zu bezwingen und sie zu beherrschen und die Vorbereitung dessen, was nach dem Tode notwendig sein wird. Das Zeichen für Torheit ist, der Triebseele zu folgen und dann von Allah Vergebung und Barmherzigkeit zu erwarten.“

 

 

Es ist Torheit, der Triebseele zu folgen und dann, ohne Tawba (Reue) und ohne Istighfâr (Bitte um Vergebung) zu machen, Vergebung und das Paradies zu erwarten. Erwartungen zu haben, ohne sich an die sie veranlassenden Ursachen zu klammern, wird „Tamannî“ (Wunschdenken) genannt. Sich an diese Gründe zu halten und dann Erwartungen zu haben, wird „Radschâ“ (Hoffnung) genannt. Tamannî verleitet den Menschen zur Faulheit, Radschâ zur Geschäftigkeit. Die Sachen, an denen die Triebseele Gefallen findet, werden „Hawâ“ (Wünsche) genannt. Die Triebseele ist ihrer Beschaffenheit gemäß so, dass sie Gefallen am Schlechten, dem Schädlichen hat und diese wünscht.

 

Das Verspaar:

Hüte dich vor deiner Triebseele immerzu, traue ihr nie, ein ärgerer Feind als siebzig Schaitane ist sie“, ist demnach auch so treffend gesagt.

 

Die Schäden, die dadurch entstehen, dass die Triebseele den Menschen zu Mahârim und zu Makrûhât verleitet, sind offensichtlich. Ihre Wünsche sind stets tierische Begierden. Diese wiederum sind Bedürfnisse im Diesseits. So sehr, wie der Mensch versucht, diese Bedürfnisse zu stillen, so sehr vernachlässigt er die Vorbereitung seiner jenseitigen Bedürfnisse. Es ist auch wichtig zu wissen, dass die Triebseele nie durch die Mubâhât gesättigt werden kann. Je mehr Mubâhât sie erhält, umso mehr wünscht sie sich. Sie wird dennoch nicht satt und treibt den Menschen zu Mahârim. Davon abgesehen führt das übermäßige Konsumieren von Mubâhât auch zu Beschwerden, Sorgen und Krankheiten. So ein Mensch denkt immerzu an seinen Magen und sein Vergnügen. Er wird geizig und kleinlich und würdelos.

 

Imâm ar-Rabbânîmöge Allah mit ihm barmherzig sein, sagte:

„Der Ursprung alles Existierenden ist ,’Adam‘, das Nichts, das Nichtsein, die Nichtexistenz. Als alles nicht existierte, wusste Allah, der Erhabene, um sie alle in ihrer Nichtexistenz. Diesen Nichtexistierenden in Seinem Wissen ließ Er von Seinen eigenen Eigenschaften widerspiegeln, reflektieren. So entstanden die Ursprünge für die Existierenden. Diese Ursprünge in Seinem Wissen entbarg Er. Die Existierenden entstanden. Dies ist so, wie der Apfelkern der Ursprung des Apfelbaums ist. Um das Wesen des Menschen zu verstehen, können wir uns die Reflektion von etwas in einem Spiegel vorstellen. Das Bild, das im Spiegel entsteht, ist die Reflexion der Strahlungen, die von diesem etwas ausgehen. Der Spiegel ist wie das Nichts. Das Herz (Qalb) und die Seele (Rûh) des Menschen gleichen diesen Strahlungen. Der Spiegel gleicht dem Körper des Menschen, der Glanz des Spiegels gleicht der Triebseele (Nafs). Das bedeutet, der Ursprung der Triebseele ist die Nichtexistenz. Sie hat nichts mit dem Herz und der Seele gemein.“

Wer der Triebseele folgt, wird stets die Grenzen des Islam überschreiten. Da die Tiere keinen Verstand und keine Triebseele haben, machen sie von dem, was sie bedürfen, Gebrauch, wo sie es antreffen. Sie halten sich nur von dem fern, was ihrem Leib schadet und was sie verletzen würde. Im Islam wird nichts von den Sachen, die notwendig sind, um in Zufriedenheit und Glück zu leben, und auch nichts von den weltlichen Freuden, die nützlich sind, verboten. Es wird nur angeordnet, bei der Erlangung und beim Gebrauch dieser Sachen dem Verstand und dem Islam zu folgen. Im Islam ist erwünscht, dass Menschen sowohl im Diesseits als auch im Jenseits zufrieden und glücklich sind. Daher wird angeordnet, dem Verstand zu folgen, und verboten, der Triebseele zu folgen. Wäre der Verstand nicht erschaffen worden, würde der Mensch immer nur seiner Triebseele folgen und in vielerlei Unheil geraten. Wäre die Triebseele nicht erschaffen worden, würde ihm etwas fehlen, das er braucht, um die Notwendigkeiten zur Lebensführung, zur Fortpflanzung und für ein zivilisiertes Leben zu besorgen, und ihm würde die Belohnung des Dschihad gegen die Triebseele entgehen. Der Weg, überlegener sein zu können als die Engel, wäre dann verschlossen geblieben. In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß: „Wüssten die Tiere über das Jenseits, was ihr darüber wisst, würdet ihr kein Fleisch mehr zum Verzehr finden!“ Damit ist gemeint, die Tiere würden aus Furcht vor dem Leid im Jenseits nicht mehr zu essen und zu trinken vermögen und sie würden bis auf die Knochen abmagern. Besäßen die Menschen keine Triebseele, würden sie wie diese Tiere vor Furcht nicht essen, nicht trinken und nicht leben können. Dass Menschen fortleben können, beruht auf dieser Vergessenheit, Unachtsamkeit (Ghafla) der Triebseele und ihrer Sucht nach den weltlichen Freuden. Die Triebseele gleicht einem scharfen zweischneidigen Messer. Sie gleicht auch einer Medizin aus einer giftigen Substanz. Wer sie gemäß den Anweisungen des Arztes verwendet, erzielt einen Nutzen aus ihr. Wer sie übermäßig einnimmt, geht zugrunde. Im Islam wird nicht die Zerstörung, die Vernichtung der Triebseele angestrebt, sondern ihre Erziehung und, von ihr Nutzen zu ziehen.

 

 

Um zu verhindern, dass die Triebseele die Grenzen des Islam überschreitet, gibt es zwei Arten des Dschihad gegen sie:

Die erste ist, ihr nicht zu folgen, ihre Wünsche nicht zu erfüllen. Diese wird „Riyâda“ genannt. Die Riyâda wird durch Wara’ (Achtsamkeit) und Taqwâ (Gottesfurcht) aufrechterhalten. „Taqwâ“ bedeutet, von Mahârim fernzubleiben. „Wara’“ bedeutet, neben Abstand von Mahârim auch vom Gebrauch der Mubâhât über den Bedarf hinaus Abstand zu nehmen.

Die zweite Art des Dschihad gegen die Triebseele ist, zu tun, was ihr missfällt. Dies wird „Mudschâhada“ genannt. Alle Ibâdât sind Mudschâhada.

 

Diese beiden Arten des Dschihad erziehen die Triebseele, lassen den Menschen reifen. Sie stärken die Seele. Sie führen auf den Weg der Siddîqûn (Getreue), der Schuhadâ (Gefallene auf dem Weg Allahs) und der Sâlihûn (Rechtschaffene). Allah, der Erhabene, bedarf des Gehorsams und der Ibâdât Seiner Diener nicht. Ihre Sünden fügen Ihm keinerlei Schaden zu. Er gebietet diese, um die Triebseele Seiner Diener zu erziehen, damit sie Dschihad gegen ihre Triebseele führen. Wenn der Mensch keine Triebseele hätte, würde ihm das Menschsein abhandenkommen und sich für ihn das Engelsein ergeben. Doch der Körper hat vielfältige Bedürfnisse. Essen, Trinken, Schlafen, Ruhen – so, wie der Ritter ein Reittier braucht, braucht der Mensch seinen Körper. So, wie ein Reittier gehegt werden muss, so muss der Körper gepflegt werden. Die Ibâdât werden mit dem Körper verrichtet. Als berichtet wurde, dass jemand in den Nächten nie schlief und sie mit Gebeten verbrachte, war die Antwort darauf sinngemäß: „Die wertvollste Ibâda ist diejenige, die, selbst wenn wenig, fortdauernd ist.“ Im fortdauernden Verrichten der Ibâda geschieht die Gewöhnung an die Gehörigkeit, an das Dienersein.

 

Das bewusste, absichtliche Befolgen des Islam wird „Ibâda“ genannt. Die Gebote und Verbote Allahs, des Erhabenen, werden „Ahkâm al-islâmiyya“ (islamische Bestimmungen) oder „Ahkâm al-ilâhiyya“ (göttliche Bestimmungen) genannt. Die Gebote werden „Fard“ (Pl. Farâid), die Verbote „Harâm“ (Pl. Mahârim) genannt.

 

In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:

Verrichtet die Ibâdât im Maße eurer Ausdauer. Die Ibâda, die mit Freude verrichtet wird, ist sehr wertvoll.

 

Wenn der Körper ausgeruht ist, werden die Ibâdât mit Freude verrichtet. Werden sie jedoch verrichtet, während der Körper und der Geist erschöpft sind, stellt sich Überdruss und Lustlosigkeit ein. Um die Erschöpfung zu lindern, sollte gelegentlich mit Sachen, die mubâh sind, der Körper gestärkt werden.

 

Imâm al-Ghazâlîmöge Allah mit ihm barmherzig sein, sagte:

„Wenn viel Ibâda verrichtet wird, ermüdet der Körper und mag sich nicht mehr rühren. Dann sollte mit etwas Schlaf oder dem Lesen der Lebensgeschichten von rechtschaffenen, frommen Muslimen oder anderen Beschäftigungen, die mubâh sind, der Körper gestärkt werden. Das ist besser als Ibâda mit Überdruss zu verrichten.“

 

Der Sinn der Ibâda ist einerseits, die Triebseele durch Mudschâhada zu erziehen und andererseits, dem Herzen Freude zu verschaffen, das Herz an Allah zu binden.

 

Es heißt sinngemäß:

„Das Gebet verhindert, dass der Mensch Ungehöriges und Schlechtes tut.“

 

Derart ist das Gebet, das mit Freude verrichtet wird. Damit diese Freude entsteht, ist es notwendig, die Wünsche der Triebseele an Mubâhât im Maße des Bedarfs zu erfüllen. So zu handeln bedeutet, dem Islam zu folgen. Mubâhât, die der Ibâda dienlich sind, werden selbst zur Ibâda.

 

Der sinngemäße ehrwürdige Hadith:

Der Schlaf des Gelehrten ist besser als die Ibâda des Unwissenden“, bezeugt unsere Worte. Es ist makrûh, Tarâwîh-Gebete zu verrichten, während man schläfrig ist. Wenn dieser schläfrige Zustand vergangen ist, sollte man sie mit Freude verrichten. In das Gebet, das im schläfrigen Zustand verrichtet wird, schleichen sich Nachlässigkeit und Unachtsamkeit (Ghafla) ein. [Das oben dargelegte sollte nicht falsch verstanden werden. Wenn sich Müdigkeit und Überdruss einstellen, werden die Ibâdât verschoben, aber nicht unterlassen. Es ist eine große Sünde, die Farâid ohne Entschuldigung (Udhr) zu unterlassen. In dem Falle würde es fard werden, sie nachzuholen. Genauso wird es wâdschib, die Wâdschibât nachzuholen. Wer die Sunan unterlässt, beraubt sich deren Belohnung. Wer sie gewohnheitsmäßig unterlässt, beraubt sich der Fürsprache (Schafâ’a), die es für diese Sunan gibt. Müdigkeit, Erschöpfung und Lustlosigkeit sind keine Entschuldigungen, um die Farâid über ihre Zeiten hinaus zu verschieben. Es ist unmöglich, dass sich der Mensch der Sünde eines solchen Aufschubs entledigt und dem Leid, das dafür notwendig wird, entgeht. Dass die Geringschätzung der Ahkâm al-islâmiyya, d.h. der Farâid und Mahârim, Kufr ist, wird in den Büchern über die Aqîda dargelegt. Die Feinde des Islam versuchen, junge Menschen in diesem Punkt zu täuschen und den Islam von innen zu schädigen. Um sich nicht von diesen täuschen zu lassen, gibt es keinen anderen Weg, als die Fiqh- und Ilmihâl-Bücher der Gelehrten der Ahlus-Sunna zu lesen und die Farâid und Mahârim zu lernen.]