Die vierte der Krankheiten des Herzens ist es, wegen der Lästereien der Menschen, ihres Gespötts und ihres Tadels betrübt zu sein. Der dritte der Gründe für den Kufr Dschuhûdî ist die Scham vor Menschen und die Furcht davor, dass sie über einen lästern oder einen tadeln könnten.
Dies ist der Grund für den Kufr von Abû Tâlib. Abû Tâlib ist der Vater des edlen Alî, möge Allah mit ihm zufrieden sein. Er ist der Onkel des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken. Er wusste, dass der Gesandte Allahs ein Prophet war. Er nahm aber den Glauben nicht an, aus Furcht, die Menschen würden über ihn lästern und weil er dachte, sie würden ihn dafür tadeln. Als Abû Tâlib im Sterben lag, kam der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, zu ihm und sprach sinngemäß:
„O mein Onkel! Sage: ‚Lâ ilâha illallah‘, damit ich für dich Fürsprache (Schafâ’a) einlegen kann!“
Seine Antwort war: „O Sohn meines Bruders, ich weiß wohl, dass du die Wahrheit sprichst. Doch ich möchte nicht,
dass man mir nachsagt, ich hätte den Glauben aus Todesangst angenommen.“
Im Tafsir von Baydâwî wird berichtet, dass der 56. Vers der Sure „al-Qasas“, in der Allah, der Erhabene, sinngemäß spricht: „Es liegt nicht in deiner Hand, diejenigen rechtzuleiten, die du liebst“, anlässlich dieser Begebenheit herabgesandt wurde.
Nach einer Überlieferung kamen die Angesehenen aus den Quraisch zu Abû Tâlib und sagten:
„Du bist unser Emir und dein Wort ist uns Befehl. Doch wir fürchten, dass nach deinem Tod die Feindschaft mit Muhammad, Friede sei mit ihm, andauern wird. Sprich zu ihm! Er soll unseren Glauben nicht verspotten!“
Abû Tâlib rief den Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, zu sich und berichtete, was ihm gesagt wurde. Als ihm klar wurde, dass der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, keinen Kompromiss mit ihnen eingehen würde, sprach er Worte, aus denen verstanden werden konnte, dass er ein Muslim werden würde. Als er diese Worte vernahm, bat er seinen Onkel, den Glauben anzunehmen. Dieser sprach:
„Würde ich nicht ihr Gerede fürchten, würde ich den Glauben annehmen und dich erfreuen.“
In seinen letzten Atemzügen sprach er etwas. Um ihn hören zu können, näherte sich ihm Abdullah ibn Abbâs, möge Allah mit ihnen zufrieden sein, und sprach anschließend: „Er teilt mit, dass er den Glauben angenommen hat.“ Es ist jedoch zweifelhaft, ob Abû Tâlib den Glauben angenommen hat. Gemäß den Gelehrten der Ahlus-Sunna hat er den Glauben nicht angenommen. Imâm al-A’zam Abû Hanîfa, möge Allah mit ihm barmherzig sein, sagte: „Abû Tâlib starb als
Kâfir.“
Der edle Alî, möge Allah mit ihm zufrieden sein, kam zum Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, und sagte: „Dein Onkel, der Irrende, ist nun verstorben.“ Darauf sagte er sinngemäß: „Wasche ihn, wickle ihn ins Leichentuch und beerdige ihn! Wir wollen für ihn Bittgebete sprechen, bis wir davon abgehalten werden.“
Er ging einige Tage nicht aus dem Haus und sprach viele Bittgebete für ihn. Als einige seiner edlen Gefährten dies vernahmen, begannen sie, für ihre Verwandten, die als Ungläubige (Kâfirûn) verstorben waren, Bittgebete zu sprechen. Daraufhin wurde der Vers 114 der Sure „at-Tawba“ herabgesandt, in dem es sinngemäß heißt:
„Der Prophet und diejenigen, die Glauben haben, sollten nicht um Vergebung für die Muschrikûn bitten, selbst wenn diese ihre Verwandten sind.“
In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:
„Von allen Ungläubigen wird am Tag der Auferstehung das Leid von Abû Tâlib am mildesten sein. Er wird Schuhe aus Feuer an seinen Füßen tragen und durch deren Hitze wird sein Gehirn kochen.“
Als Heilmittel gegen die Furcht vor Lästereien und dem Tadel der Menschen sollte folgendermaßen gedacht werden: „Wenn sie in ihrem Tadel recht haben, so tun sie mir meine Fehler kund. Ich habe mich dazu entschieden, diese nicht erneut zu begehen“, und der Mensch sollte sich damit über solche Lästereien freuen und denen, die lästern, dankbar sein. Hasan al-Basrî, möge Allah mit ihm barmherzig sein, wurde mitgeteilt, dass jemand in seiner Abwesenheit über ihn lästerte. Er schickte dieser Person einen Teller mit einer Süßspeise und die Botschaft: „Ich habe vernommen, dassdu mir die Belohnungen für deine guten Taten schenkst. Im Gegenzug schicke ich dir diese Süßspeise.“
Imâm al-A’zam Abû Hanîfa, möge Allah mit ihm barmherzig sein, wurde berichtet, dass jemand in seiner Abwesenheit über ihn lästerte. Dieser schickte ihm einen Beutel mit Gold und sagte: „Wenn er die Belohnungen, die er uns überschreibt, vermehrt, werden wir unsere Gegengabe entsprechend vermehren.“ Wenn die Lästereien Lüge und Verleumdung sind, dann schaden sie dem, der diese äußert. Dann sollte sich der Mensch erinnern: „Seine Belohnungen werden mir zugeschrieben. Meine Sünden werden ihm aufgeladen.“ Verleumdung und Namîma sind schlimmer als üble Nachrede (Ghîba). Mit Namîma ist die Weitergabe von Gerede unter Muslimen gemeint. [Siehe den 123. Brief aus dem 2. Band des „Maktûbât al-Ma’sûmiyya“!]