Es ist erforderlich, dass der Mensch über seine Sünden nachdenkt und Reue für sie empfindet und dass er über seine Ibâdât nachdenkt und dafür Allah, dem Erhabenen, dankt. Es ist nötig, dass er auch die feinen Kunstwerke in den Geschöpfen und in seinem eigenen Körper, die Ordnung in diesen und ihre Verflochtenheit miteinander bedenkt und so die Existenz Allahs, des Erhabenen, und Seine Größe erkennt. Die Gesamtheit der Geschöpfe, alles Existierenden wird „Âlam“ (Welt) genannt.

[Es gibt drei Welten: Âlam al-Adschsâd (Welt der Körper),

Âlam al-Arwâh (Welt der Seelen) und

Âlam al-Mithâl (Welt der Gleichnisse).

 

Die Welt der Gleichnisse ist keine Welt der Existenz. Sie ist eine Welt der Erscheinung. Alles Existierende hat in dieser Welt eine Erscheinung. Die Welt der Seelen sind die Dinge außerhalb des Arschul-a’lâ. Diese sind nicht materiell. Diese werden auch „Âlam al-Amr“ (Welt des Befehls) genannt. Die Welt der Körper ist die Welt der Materie. Diese wird auch „Âlam al-Khalq“ (Welt der Maße) genannt. Diese wiederum teilt sich in zwei: Der Mensch wird „Âlam as-saghîr“ (kleine Welt) genannt. Alles andere als der Mensch wird „Âlam al-kabîr“ (große Welt) genannt. Alles, was es in der großen Welt gibt, hat ein Abbild, ein Gleiches in der kleinen Welt. Das Herz (Qalb) des Menschen ist ein Tor in die Welt der Seelen. Bei den Ungläubigen (Kâfirûn) ist dieses Tor verschlossen, ist zerstört. Daher wissen die Ungläubigen nichts von der Welt der Seelen und sie können es auch nicht wissen.

Die einzige Lösung, das einzige Heilmittel, damit das Herz lebendig wird und sich der Welt der Seelen öffnet, ist, dass es den Glauben (Iman) annimmt, dass es Muslim wird. Damit der Gläubige (Mu’min) durch das Tor des Herzens in die Welt des Befehlseintritt und in dieser Welt zum Unendlichen, zum ewigen Leben voranschreitet, muss er arbeiten, sich anstrengen. Der Tasawwuf, eine der acht Grundwissenschaften des Islam, ist eine beachtliche Wissenschaft, die diese Arbeit, diese Anstrengung lehrt. Die Experten dieser Wissenschaft werden „Walî“ und „Murschid“ genannt. Der berühmteste Murschid ist Imâm ar-Rabbânî Ahmad al-Fârûqî. Er verstarb im Jahre 1034 n. H. (1624 n. Chr.) in Indien. Es ist unmöglich, dass ein vernünftiger Mensch, der an Medizin- und naturwissenschaftlichen Fakultäten studiert und die Feinheit der Kunstwerke in den Geschöpfen, ihre planvolle Verflechtung miteinander sieht und begreift, nicht an die Existenz Allahs, des Erhabenen, Seine Einzigkeit, Seine Größe, Sein Wissen und Seine gewaltige Macht glaubt. Wer nicht glaubt, muss ein unterdurchschnittlicher, rückständiger Unwissender sein oder ein trotziger, nur an seine Gelüste denkender Tor oder ein ungerechter Sadist, der Sklave seiner Triebseele ist und Freude an Quälereien findet. In der Tat wird, wenn die Lebensgeschichten der Ungläubigen untersucht werden, sofort klar, dass sie einer dieser drei Gruppen angehören.]

In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:

„Glaubt an Allah, den Erhabenen, indem ihr die Ordnung in der Schöpfung bedenkt!“

 

Der Glaube einer Person, welche die Astronomie studiert und die Ordnung in den Bewegungen der Erdkugel, des Mondes, der Sonne und von allen Sternen in der Leere des Weltalls und die Ordnung in ihren Entfernungen zueinander, das Maß darin begreift, nimmt zu. In der Schöpfung der Berge, der Erze und Mineralien, der Flüsse, der Meere, der Tiere, der Pflanzen und sogar der Bakterien gibt es verschiedenste Nutzen. Nichts von alledem ist sinnlos, nutzlos erschaffen worden. Die Wolken, die Regenfälle, die Blitze, unterirdische Gewässer und Energiequellen, die Luft, kurzum, jedes Geschöpf verrichtet einen bestimmten Dienst, hat eine bestimmte Aufgabe.

Die Menschen haben bis zum heutigen Tag nur wenig von den unzählbaren Diensten dieser unzähligen Geschöpfe begreifen können. Wie kann der Verstand des Menschen, der nicht in der Lage ist, die Schöpfung zu begreifen, deren Schöpfer, deren Hervorbringer begreifen? Die Gelehrten des Islam, die Seine Größe, Seine Eigenschaften etwas verstehen konnten, erstaunten völlig und sprachen: „Ihn zu begreifen heißt, zu begreifen, dass Er nicht begriffen werden kann.“

 

Jemand aus der Gemeinschaft (Umma) von MûsâFriede sei mit ihm, verrichtete dreißig Jahre Ibâdât. Eine Wolke pflegte ihn stets zu begleiten und bot ihm Schutz vor der Sonne. Eines Tages blieb die Wolke aus und er stand unter der Hitze der Sonne. Er fragte seine Mutter, ob sie sich einen Grund dafür vorstellen könne. Sie sagte, dass er wohl eine Sünde begangen haben müsse, doch er sagte, dass dies nicht der Fall sei. Sie fragte: „Hast du nicht die Himmel, die Blumen betrachtet? Hast du nicht die Gewaltigkeit des Schöpfers bei ihrer Betrachtung bedacht?“ Er antwortete: „Ich habe sie betrachtet, mein Tafakkur (Bedenken, Nachdenken) kam jedoch zu kurz.“ Darauf sagte sie: „Gibt es eine größere Sünde als diese? Bereue dies sogleich.“ Wer vernünftig ist, darf die Aufgabe des Tafakkur nicht vernachlässigen. Gibt es jemanden, der sich sicher ist, dass er morgen nicht stirbt? Allah, der Erhabene, hat nichts sinnlos, nichts ohne Nutzen erschaffen. Die Nutzen, die die Menschen nicht begreifen, nicht sehen können, sind um ein Vielfaches mehr als die, die sie begreifen können. Es heißt, dass Tafakkur auf vier Arten geschieht: das Bedenken der Feinheit der Kunstwerke und ihres Nutzens in der Schöpfung Allahs, des Erhabenen, führt dazu, an Ihn zu glauben und Ihn zu lieben. Das Bedenken der Belohnungen, die Er versprochen hat, führt zur Verrichtung der Ibâdât. Das Bedenken der Strafen, die Er kundgetan hat, führt dazu, Ihn zu fürchten und niemandem Schlechtes zu tun. Das Bedenken, dass man im Gegenzug zu Seinen Gaben und Seinen Bescherungen seiner Triebseele folgend Sünden begeht und in einem Zustand lebt, in dem man Allah vergisst, führt dazu, dass man sich vor Allah schämt. Allah, der Erhabene, liebt diejenigen, die die Geschöpfe auf der Erde und in den Himmeln bedenken und Lehren daraus ziehen. In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß: „Es gibt keine wertvollere Ibâda als Tafakkur.“ Und sinngemäß: „Ein Augenblick des Tafakkur ist besser als sechzig Jahre Ibâda.“ Tafakkur wird ausführlich im Buch „Kimyâ-i Sa’âdat“ von Imâm al-Ghazâlî, im Original auf Persisch, behandelt.