Die dritte der Krankheiten des Herzens, d.h. der schlechten Charakterzüge, ist die Gier nach Gütern und Status. Die unten folgenden sinngemäßen Hadithe werfen Licht auf die Diagnose und Heilung dieser „Hubb ar-Riyâsa“ genannten Krankheit:
1. „Der Schaden, den die Gier nach Gütern und Ruhm anrichtet, ist größer als der Schaden, den zwei hungrige Wölfe anrichten, die in eine Schafherde einfallen.“
2. „Zu seinem Schaden reicht es dem Menschen, wenn in religiösen und weltlichen Angelegenheiten mit dem Finger auf ihn gezeigt wird.“ Das bedeutet, dass wenn jemand in religiösen und weltlichen Angelegenheiten zu Ruhm gekommen ist, dies für seinen Glauben und seine weltlichen Angelegenheiten sehr schädlich ist.
3. „Das Verlangen nach Lob macht den Menschen blind und taub. Er sieht seine Fehler und Mängel nicht mehr. Er vernimmt wahre Worte und guten Rat (Nasîha), der ihm gegeben wird, nicht mehr.“
Die Gier nach Status und Ruhm hat drei Ursachen:
– Die erste Ursache ist, die Wünsche der Triebseele erfüllen zu wollen. Die Triebseele aber begehrt, dass ihre Wünsche auf eine Art und Weise, die harâm ist, erfüllt werden.
– Die zweite Ursache ist der Wunsch nach Status. Wenn jemand für sich Status wünscht, um seine eigenen Rechte und die Rechte anderer vor dem Zugriff der Ungerechten zu schützen oder um Taten verrichten zu können, die mustahabb sind, wie z.B. Sadaqa zu geben, wohltätige Werke und gute Taten zu verrichten oder um Sachen, die mubâh sind, zu tun, wie z.B. gut zu essen, gut zu wohnen, Kinder zu haben, zufrieden und glücklich zu leben oder um Dinge, die den Ibâdât im Wege stehen, aus dem Weg zu räumen oder dem Islam und den Muslimen zu dienen, und er bei der Erlangung dieses Status nichts tut, was im Islam verboten ist, wie in Zurschaustellung (Riyâ) zu verfallen oder Wahrheit und Lüge zu vermischen, und dabei nicht die Wâdschibât und die Sunan unterlässt, so ist dieses Streben nach Status dschâiz, sogar mustahabb.
Denn die Mittel, die dazu führen, dass Sachen, die dschâiz oder notwendig sind, erreicht werden, sind wiederum selbst dschâiz oder notwendig. Wenn Allah, der Erhabene, im edlen Koran gute Menschen beschreibt, spricht Er davon, dass diese auch „Imame der Muslime“ zu sein wünschen. Sulaymân, Friede sei mit ihm, bat: „O mein Herr! Beschere mir ein Reich, wie niemandem nach mir!“, und wünschte sich, Herrscher und Emir zu sein. Die Überlieferungen aus den früheren Religionen, die nicht abgelehnt wurden, werden auch in unserer Religion geachtet. In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß: „Einen Tag lang gemäß der Wahrheit und Gerechtigkeit zu herrschen, ist mir lieber als ein Jahr lang ununterbrochener Dschihad.“ Und in einem anderen sinngemäß: „Eine Stunde gerechte Herrschaft ist besser als sechzig Jahre Nâfila-Ibâda.“ Es ist jedoch nicht dschâiz, Status zu erlangen, indem man der Zurschaustellung verfällt, Wahrheit und Lüge vermischt, selbst wenn dies mit guter Absicht geschieht. Denn es ist nicht dschâiz, Mahârim oder Makrûhât selbst mit einer guten Absicht auszuführen. Das Verrichten mancher Mahârim mit guter Absicht ist sogar eine größere Sünde. Die gute Absicht nützt beim Gehorsam und bei den Ibâdât. Eine Tat, die mubâh oder sogar fard ist, kann durch die Absicht auch zu einer Sünde werden. Auch hieraus wird verständlich, dass das Wort derer, die Sünden begehen: „Schau du auf mein Herz! Mein Herz ist rein. Allah schaut auf die Herzen!“, falsch, sogar schädlich ist.
– Die dritte Ursache für den Wunsch nach Status ist, der Triebseele Vergnügen zu bereiten. Die Triebseele findet Gefallen an Status, so wie sie Gefallen an Gütern findet. Obwohl es nicht harâm ist, die Triebseele dem zuzuführen, an dem sie Gefallen findet, solange diese nichts enthalten, was mit dem Islam unvereinbar ist, ist dies doch ein Zeichen für wenig Gottesfurcht (Taqwâ) und Eifer (Himma). Es muss in so einem Fall gefürchtet werden, dass jemand, nachdem er den gewünschten Status erlangt hat, in Zurschaustellung (Riyâ) verfällt oder Abstriche von der eigenen Religion (Mudâhana) macht, um die Menschen für sich zu gewinnen. Es mögen sogar solche gefährlichen Zustände aufkommen wie Heuchelei (Nifâq) oder die Vermischung von Wahrheit und Lüge oder die Betrügerei und das Lügen. Das, worin Harâm und Halâl vermischt ist, muss unterlassen werden. Auch, wenn diese dritte Art des Wunsches nach Status nicht harâm ist, ist sie doch nicht gut und deshalb muss das Heilmittel dagegen gekannt und angewandt werden. Zuerst sollte bedacht werden, dass ein Status nur vorübergehend ist, und seine Schäden und Gefahren sollten ebenfalls bedacht werden. Um sich vor Ruhm und der Gefahr der Hochmut (Kibr) durch entgegengebrachten Respekt zu schützen, sollten Taten verrichtet werden, die im Islam mubâh, dschâiz sind, die von den Menschen aber geringgeschätzt werden.
Einmal ging ein Emir einen Zâhid (jemand, der nicht weltverfallen ist) besuchen. Als der Zâhid absah, dass der Emir mit seinem Gefolge ihm nah sein wollte, richtete er ein Festessen aus. Beim Essen schnappte er sich die größten Bissen und verschlang diese gierig. Als der Emir dies sah, missfiel ihm der Zâhid und er ging fort. Darauf sprach der Zâhid: „Alhamdulillah! Mein Herr hat mich errettet.“ Das wirksamste Heilmittel, um den Wunsch nach Status zu heilen, ist der Abstand zu den Menschen. Außer für die notwendigen religiösen und weltlichen Aufgaben sollte gemieden werden, unter Menschen zu gehen. Dieses Heilmittel wird im ehrwürdigen Hadith empfohlen.