Die zehnte der Krankheiten des Herzens ist Tûl al-Amal (Weltverfallenheit). Weltverfallenheit bedeutet, ein langes Leben zu wünschen um der Vergnügung und Freuden willen. Ein langes Leben zu wünschen, um viel Ibâda zu verrichten, ist keine Weltverfallenheit. Die Weltverfallenen verrichten ihre Ibâdât nicht zu ihrer Zeit. Sie unterlassen die Reue (Tawba). Sie sind hartherzig. Sie denken nicht an den Tod. Den Aufrufen zum Guten und dem Abhalten von Schlechtem und gutem Rat schenken sie kein Gehör.
In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:
„Denkt oft an das, was allen Vergnügungen ein Ende bereiten wird!“
Und sinngemäß:
„Wüssten die Tiere über das, was nach dem Tod passieren wird, so wie ihr Bescheid, würdet ihr kein wohlgenährtes Tier mehr zum Verzehr finden!“
Und weiter sinngemäß:
„Wer zu Tag und zu Nacht den Tod bedenkt, wird am Tag des Gerichts an der Seite der Schuhadâ stehen.“
Der Weltverfallene vergeudet sein Leben damit, immer nur nach weltlichem Besitz und Status zu streben. Er vergisst das Jenseits. Er denkt nur an sein Vergnügen und seine Unterhaltung. Nahrungsmittel für seine Familie für die Dauer eines Jahres bereitzustellen, fällt nicht unter Weltverfallenheit.
Grundbedarf für die Dauer eines Jahres wird „Hawâidsch asliyya“ genannt. Dieser Grundbedarf wird zu den Notwendigkeiten gezählt und nicht zum Nisâb (Mindestmenge, bei der das Entrichten der Zakat verpflichtend wird) zugerechnet. Wer solch eine Menge besitzt, gilt nicht als ein Reicher. Jemand, der unverheiratet ist und diese Menge nicht besitzt, für den ist es dschâiz, einen Nahrungsmittelgrundbedarf für vierzig Tage als Vorrat aufzubewahren. Mehr als diese Menge aufzubewahren, würde das Gottvertrauen (Tawakkul) schädigen.
In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:
„Der beste der Menschen ist der, dessen Leben lang und dessen Taten schön sind.“
Und sinngemäß:
„Der schlechteste der Menschen ist der, dessen Leben lang und dessen Taten schlecht sind.“
Und sinngemäß:
„Wünscht euch nicht den Tod herbei! Das Leid im Grab ist sehr bitter. Ein langes Leben gemäß dem Islam zu führen, ist eine große Glückseligkeit.“
Und sinngemäß:
„Die Haare, die im Islam ergrauen, werden am Tag des Gerichts reines Licht (Nûr) sein.“
Die Ursachen, die zur Weltverfallenheit führen, sind die Sucht nach weltlichen Vergnügungen, das Vergessen des Todes und der Verlass auf seine Gesundheit und Jugend. Um der Weltverfallenheit zu entrinnen, müssen diese Ursachen beseitigt werden. Es sollte bedacht werden, dass der Tod jeden Moment kommen kann. Es sollte nicht vergessen werden, dass Gesundheit und Jugend kein Hindernis für den Tod sind. Statistiken zeigen, dass die Sterberate von jüngeren Menschen höher ist als von älteren Menschen. Es wird oft beobachtet, dass Kranke wieder gesund werden und noch lange weiterleben und dass sehr robuste und gesunde Menschen nach einem kurzen Leben sterben. Die Schäden, die die Weltverfallenheit nach sich zieht, und die Nutzen des Bedenkens des Todes sollte man erlernen.
In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:
„Denkt oft an den Tod! Das Gedenken daran bewahrt vor Sünden und führt dazu, sich vor Sachen, die für das Jenseits schädlich sind, zu hüten.“
Der Prophetengefährte Bara’ ibn Âzib, möge Allah mit ihm zufrieden sein, berichtet:
„Wir brachten einen Verstorbenen zur Bestattung. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, setzte sich an das Kopfende des Grabes und begann zu weinen, sodass seine gesegneten Tränen auf die Erde fielen. Dann sprach er sinngemäß: ‚O meine Brüder! Bereitet euch alle hierauf vor!’“
Als Umar ibn Abdul’azîz, möge Allah mit ihm barmherzig sein, einmal einem Gelehrten begegnete, bat er ihn um guten Rat. Der Gelehrte antwortete:
„Du bist jetzt Kalif, kannst befehlen, wie du magst, doch bald wirst du sterben.“
Umar ibn Abdul’azîz bat ihn, noch mehr zu sagen, woraufhin der Gelehrte sprach:
„Alle deine Ahnen seit Âdam, Friede sei mit ihm, haben den Tod erfahren und nun bist du an der Reihe.“
Der Kalif weinte hierauf eine lange Zeit.
In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:
„Als Ermahnung genügt den Menschen der Tod. Wer wünscht, reich zu sein, dem genügt der Glaube an die Bestimmung (Qadar) und an da Schicksal (Qadâ).“
Und sinngemäß:
„Der klügste der Menschen ist derjenige, der des Todes oft gedenkt. Dem Menschen, der des Todes oft gedenkt, werden im Diesseits Ehre und im Jenseits hohe Ränge zuteil.“
Und sinngemäß:
„Habt Scham vor Allah, dem Erhabenen! Vergeudet eure Zeit nicht damit, anzusammeln, was schließlich anderen bleiben wird! Bemüht euch nicht, zu erlangen, was unerreichbar ist! Vergeudet euer Leben nicht damit, Gebäude zu errichten über das hinaus, was ihr bedürft!“
Und sinngemäß:
„Errichtet eure Häuser nicht mit Material, das harâm ist! Dies schadet eurem Glauben und euren weltlichen Angelegenheiten.“
Als der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, vernahm, dass Usâma ibn Zayd, möge Allah mit ihm zufrieden sein, den er sehr liebte, einen Sklaven für 100 Goldtaler gekauft hatte, mit der Vereinbarung, ihn in einem Monat zu bezahlen, sprach er sinngemäß:
„Seid ihr nicht erstaunt darüber? Über Usâma ist die Weltverfallenheit gekommen.“
Es ist jedoch dschâiz, sich Grundbedarf zu beschaffen, indem man den Preis zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt. In einem ehrwürdigen Hadith heißt es sinngemäß:
„Wer in das Paradies einziehen möchte, soll sich vor der Weltverfallenheit hüten. Seine Beschäftigung mit den weltlichen Angelegenheiten soll ihn den Tod nicht vergessen lassen.Er soll sich vor Allah schämen, Harâm zu begehen.“
Es ist harâm,ein langes Leben zu wünschen, um sich lange Zeit Freuden, die harâm sind, hinzugeben. Ein langes Leben zu wünschen, um sich Freuden, die mubâh sind, hinzugeben, gilt zwar nicht als Weltverfallenheit und ist nicht harâm, ist jedoch nicht gut. Man sollte sich nicht wünschen, lange zu leben, sondern in Gesundheit und Wohlbefinden zu leben.