Als Allah, der Erhabene, den Menschen erschuf, gab Er ihm „Aql“, „Denkvermögen“. Die Formulierung, „sprechendes Lebewesen“ der Gelehrten des Islam, möge Allah mit ihnen barmherzig sein, und die auf der Aussage, „Ich denke, also bin ich“ ruhende Philosophie Descartes drücken diese Tatsache klar aus.

Der größte Unterschied des Menschen gegenüber anderen Geschöpfen liegt darin, dass er überlegene Eigenschaften besitzt – dass er neben seinem Körper auch eine Seele hat, dass er denken kann, dass er alle Ereignisse mit seinem Verstand zu bewerten vermag, mit seinem Verstand urteilen und dieses Urteil in die Tat umsetzen kann, gut und schlecht voneinander unterscheiden kann, die Tragweite seiner Taten begreifen und gegebenenfalls für diese Reue empfinden kann. Doch ist er in der Lage, diese kostbaren Eigenschaften auf sich allein gestellt und ohne einen Wegweiser zu gebrauchen? Kann er auf sich allein gestellt den rechten Weg finden und Allah, den Erhabenen, erkennen?

Wenn wir die Geschichte betrachten, sehen wir, wenn Menschen sich ohne einen von Allah, dem Erhabenen, gesandten Wegweiser allein bewegen, entgleiten sie stets auf falsche Wege. Der Mensch war immer fähig, durch sein Denkvermögen zu erkennen, dass er einen Schöpfer hat, der mit großer Macht ausgestattet ist, doch er war nicht in der Lage, durch sein Denkvermögen den Weg, der zu Ihm führt, zu finden. Menschen, die den Ruf der Propheten nicht vernahmen, suchten nach dem Schöpfer zunächst in der sie umgebenden Welt. Manche glaubten, dass die Sonne, die den größten Nutzen für sie darstellte, der Schöpfer sei, und begannen sie anzubeten. Dann glaubten sie, dass die Naturgewalten, die Stürme, das Feuer, das wogende Meer, die Vulkane und Ähnliches Stellvertreter oder Gehilfen dieses Schöpfers wären. Sie fertigten Statuen, Bilder und Symbole für alle diese Naturgewalten, und so entstanden Götzen. Und mit der Zeit traten viele verschiedene Götzen auf. Menschen begannen sich vor dem Groll dieser Götzen zu fürchten und brachten ihnen Opfer dar, darunter sogar Menschenopfer. Mit neuen Ereignissen mehrte sich auch die Zahl der Götzen. So gab es z. B. in Mekka, als dort der Islam begann, 360 Götzen. Kurzum: Der Mensch war nie in der Lage Allah, den Erhabenen, auf sich allein gestellt zu erkennen. Sogar heute gibt es noch Menschen, die die Sonne oder das Feuer anbeten. Man muss hierüber nicht erstaunt sein, denn ohne Leitung kann man in der Dunkelheit den Weg nicht finden. In der 15. Âya der Sûre al-Isrâ, „Die Nachtreise“, im edlen Qur‘ân heißt es sinngemäß: „Wir bestrafen nie, ohne zuvor einen verkündenden Gesandten geschickt zu haben.“

Allah, der Erhabene, schickte Propheten in diese Welt, Friede sei mit ihnen allen, um den Menschen die Einheit Allahs, des Erhabenen, zu lehren und wie sie ihren Verstand und ihr Denkvermögen nutzen und wie sie gute Werke von schlechten unterscheiden können. Die Propheten sind Menschen wie wir, mit menschlichen Eigenschaften. Auch sie essen, trinken, schlafen und ermüden. Ihr Unterschied zu gewöhnlichen Menschen besteht darin, dass sie mit einem überlegeneren Intellekt, einer überlegeneren Urteilskraft, einem völlig reinen Charakter und einer Macht, mit der sie uns die Gebote Allahs, des Erhabenen, kundgeben können, ausgestattet sind. Die Gebote und Verbote Allahs, des Erhabenen, werden Religion genannt. Der Glaube, den Muhammed, Friede sei mit ihm, verkündet hat, wird „Islam“ genannt. Die Propheten sind die größten Führer. Der Verkünder des Islam ist der letzte und größte der Propheten, Muhammed, Friede sei mit ihm. Das Buch, das Allah, der Erhabene, ihm offenbarte, ist der edle „Qur‘ân al-Karîm“, der „edle Qur‘ân“. Wenn im Folgenden noch die Rede vom Islam ist, wird hierauf ausführlicher eingegangen werden. Die leitenden, gesegneten Lehrworte des Propheten Muhammed, Friede sei mit ihm, werden „ehrwürdige Hadîthe“ genannt. Diese Lehrworte sind in verschiedenen kostbaren Büchern aufgezeichnet. Es gibt auch die Gelehrten, die uns den edlen Qur‘ân und die ehrwürdigen Hadîthe erläutern. Es gibt Menschen, die sagen: „Warum braucht es solche Gelehrte? Kann denn der Mensch nicht ein guter Muslim sein, den wahren Weg finden, indem er den edlen Qur‘ân, das Buch des Islam, liest und die ehrwürdigen Hadîthe studiert?“, und die so diese Führer auf dem rechten Weg gering schätzen und nicht wichtig nehmen. Eine solche Haltung ist jedoch eine völlig falsche. Ein Mensch, der nicht über die fundamentalen Grundlagen des Islam informiert ist, kann nicht ohne einen Lehrer die tiefen Bedeutungen des edlen Qur’ân und der ehrwürdigen Hadîthe verstehen. Selbst der beste Sportler wird, wenn er einen Berg besteigen will, sich einen Führer nehmen. In den Fabriken gibt es neben Ingenieuren Obermeister und Meister. Ein Arbeiter, der zum ersten Mal eine Fabrik betritt, erlernt zunächst von den Meistern und dann den Obermeistern die Feinheiten seiner Arbeit. Wenn er ohne diese Vorkenntnisse direkt mit den Ingenieuren spricht, dann versteht er nichts von ihren Worten und ihren Kalkulationen. Selbst jemand, der sehr gut im Umgang mit Waffen ist, kann eine neue Waffe nicht richtig benutzen, wenn ihm nicht die Anweisungen zum Gebrauch gegeben werden. Daher müssen wir, um den edlen Qur‘ân und die ehrwürdigen Hadîthe in Glaubensachen zu verstehen, von den großen, „al-Murschid al- Kâmil“, die „vollkommenen Lehrer“ genannten Gelehrten und ihren Werken lernen. Die größten der „vollkommenen Lehrer“ sind die Imame der vier Rechtsschulen. Diese sind Imam Abû Hanîfa, Imam Schafi‘î, Imam Mâlik [1] und Imam Ahmed ibn Hanbal, möge Allah mit ihnen allen zufrieden sein. Diese vier Imame bilden die vier fundamentalen Pfeiler des Islam. Um die Bedeutungen des edlen Qur‘âns und der ehrwürdigen Hadîthe richtig zu lernen, muss man die Bücher eines dieser vier Gelehrten studieren. Nach diesen kamen tausende von Gelehrten, die die Werke eines jeden dieser Imame erläuterten. Wer diese Erläuterungen lernt, der lernt den Islam korrekt. Die Lehren über den Glauben in diesen Büchern sind alle dieselbe Lehre. Dieser korrekte Glaube wird „der Glaube der Ahlu‘s-Sunna“ genannt. Die Lehren, die später erfunden wurden und diesem korrekten Glauben widersprechen, werden als Wege der „Bid‘a“ und „Dalâla“, Wege der „Erfindung“, oder Wege des „Irrgangs“ bezeichnet. Sämtlichen Religionen, die alle Propheten seit Adam, Friede sei mit ihm, verkündeten, ist die Grundlage des Glaubens gemeinsam. Allah, der Erhabene, wünscht keine Differenzen in Sachen des Glaubens. Im 159. Vers der Sûre „al-Anâm“, „Das Vieh“, sagt Allah, der Erhabene, zu Seinem geliebten Gesandten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, sinngemäß: „Du hast mit denen, die sich in der Religion in Gruppen splittern, nichts zu schaffen. Allah, der Erhabene, wird über sie urteilen und ihnen ihre Strafe geben.“

Wen konsultieren wir, wenn wir Augenbeschwerden haben? Einen Wachmann, einen Rechtsanwalt, einen Mathematiklehrer oder einen Augenarzt? Selbstverständlich wenden wir uns an einen Experten und konsultieren ihn bezüglich einer Therapie. Wer nun nach einer Therapie sucht, um seinen Glauben zu retten, der darf sich genauso selbstverständlich nicht an einen Anwalt oder einen Mathematiker wenden oder versuchen diese Therapie aus Zeitungen oder Filmen zu lernen, sondern muss sich an einen Experten in Sachen der Religion wenden.

Um ein Gelehrter im Islam zu sein, muss man den Stand der Naturwissenschaften seiner Zeit gut kennen, Diplome aus Fakultäten der Naturwissenschaften und der Literatur besitzen, darüber hinaus promoviert und sich in einem Fachbereich spezialisert haben, den edlen Qur‘ân und die ehrwürdigen Hadîthe auswendig kennen und ihre Bedeutungen wissen, ein Experte in den 20 Hauptwissenschaften des Islam sein und die 80 Zweige dieser Hauptwissenschaften gut kennen, in diesen Wissenschaften den Rang eines profunden Gelehrten erreichen, die Feinheiten der Methoden der vier Rechtsschulen begreifen und die höchste Reife im Tasawwuf erreicht haben, die „Wilâyatu‘l-Khassatu‘l- Muhammediyya“ genannt wird.

Es ist schier unmöglich, dass ungebildete Menschen, die ihre eigene Krankheit ihres Herzens und die Medizin dafür nicht kennen, aus den ehrwürdigen Hadîthen diejenigen auswählen können, die für sie in Frage kommen. Die Gelehrten des Islam sind Experten für Herz und Seele und haben für jede Befindlichkeit die passende geistige Medizin aus den ehrwürdigen Hadîthen ausgewählt und bekanntgemacht sowie diese in ihren Büchern niedergeschrieben. Unser Prophet, Friede sei mit ihm, ist wie ein Oberarzt, der in der Apotheke dieser Welt hunderttausende von Heilmitteln bereitstellt, und die Gelehrten und Freunde Allahs, die Awliyâ, sind wie Assistenten, die in seinem Auftrag diese bereitgestellten Heilmittel je nach Beschwerde der Patienten verteilen. Wenn wir, in Unkenntnis unserer Krankheit und der entsprechenden Heilmittel für sie, versuchen unter den hunderttausenden ehrwürdigen Hadîthen unsere Medizin zu finden, werden wir wohl eher eine allergische Reaktion verursachen und für unser unwissendes Handeln die Quittung dahingehend erhalten, dass wir eher leiden, statt Nutzen zu ziehen. Aus diesem Grund heißt es in einer ehrwürdigen Hadîth: „Wer den edlen Qur’ân seinem Gutdünken entsprechend [also den Auslegungen der großen Gelehrten im Islam, die ihr Wissen vom Gesandten Allahs, Friede sei mit ihm, und den edlen Gefährten, möge Allah mit ihnen zufrieden sein, nahmen, widersprechend] auslegt, wird zum Ungläubigen.“ Die Weglosen (Leute, die keiner Rechtsschule und keiner der Methoden dieser Rechtsschulen folgen), die diese Feinheit nicht begreifen, sagen: „Jeder sollte den edlen Qur‘ân und die ehrwürdigen Hadîthe selber studieren, so sein Verständnis um den Glauben entwickeln und nicht auf die Bücher der Rechtsschulen zurückgreifen“, und verbieten so quasi die Lektüre der Werke der Gelehrten der Ahlu‘s-Sunna, möge Allah mit ihnen barmherzig sein. Manche verschmähen in ihrer Verblendung diese Werke sogar als „Unglauben gegenüber Allah, dem Erhabenen“, und als „Beigesellung“, „Schirk“, beinhaltend. So verhindern sie, dass Menschen die Grundlagen des Islam ausreichend erlernen, und verursachen so Schaden statt Nutzen.