Wir haben vorhergehend die Glaubensgrundlagen und Praktiken verschiedener Religionen kurz betrachtet. Schauen wir nun auf die Frage, ob es Philosophie im Islam gibt.
Philosophie nennt man die Ergebnisse, die Menschen erzielen, wenn sie über ein beliebiges Thema Untersuchungen und Recherchen mittels des Verstandes und der Logik durchführen. Kurz formuliert bedeutet dies: „Den Grund aller Sachen erforschen und herausfinden, was der Grund ihrer Existenz ist.“ Philosophie bedeutet auf Griechisch „Liebe der/zur Weisheit“ und sie beruht auf tiefem Sinnen, Nachforschung, Vergleich und Überprüfung. Wer sich mit der Philosophie beschäftigt, muss ein sehr tiefes Wissen über den menschlichen Geist als auch in den Naturwissenschaften besitzen. Doch so tief das Wissen des Menschen auch sein mag, er kann sich irren und falsche Schlüsse aus seinen Recherchen ziehen. Das ist der Grund, warum die Philosophie niemals definitive Ergebnisse liefern kann. Dann wiederum muss der, der solche Ergebnisse anschaut, diese seinem eigenen Verstand und seiner eigenen Logik unterziehen. Jede Philosophie hat dann auch ihre Gegenlehre. Sodann wird es notwendig, auch diese Gegenlehre zu untersuchen und beide Denkmodelle miteinander zu vergleichen. Man darf auch nicht vergessen, dass sich viele philosophische Gedanken mit der Zeit ändern können. Alledem nach können philosophische Gedankenmodelle also niemals „Gewissheit“ sein.
Im edlen Qur‘ân gibt es zwei Arten von Âyât, Versen. Die Bedeutung der einen Art ist klar und deutlich. Diese werden „urteiltragende Verse“, „Muhkam / Muhkamât“ genannt. Die Bedeutung der anderen Art ist nicht offensichtlich. Diese benötigen einen besonderen Tafsîr, eine Erläuterung. Diese Verse werden „Gleichnisse“, „Mutaschâbih / Mutaschâbihât“ genannt. Auch die ehrwürdigen Hadîthe unseres Propheten [seine Worte und Lehrsätze] sind auf diese zwei Arten. Die Notwendigkeit, diese auszulegen und zu erläutern, führte im Islam zur Entwicklung und Einrichtung des „Idschtihâd“, der „Urteilsfindung“. Unser Prophet selbst, Friede sei mit ihm, hat solchen Idschtihâd vollzogen. Die Urteile aus seinen Urteilsfindungen und den Urteilsfindungen seiner Gefährten bilden die Grundlage der Wissenschaften des Islam. Völker, die den Islam neu annahmen, fragten, was das Urteil über jene Sachen sei, die ihnen bis dahin als heilig galten, und die Gelehrten des Islam antworteten auf diese Fragen. Aus der Beschäftigung mit diesen Fragen, die mit der Art und Weise zu glauben und dem Îmân zu tun hatten, entstand die „Kalâm“ genannte Wissenschaft. Die Gelehrten der Kalâm-Wissenschaft mussten jenen, die den Islam neu annahmen, auf logische Weise erklären, warum ihre alten Religionen falsch waren. Um die aus ihren Fragen resultierenden Probleme zu adressieren, gaben sich die Gelehrten des Kalâm, möge Allah mit ihnen barmherzig sein, große Mühe. Viele Erkenntnisse wurden gewonnen und es entstand eine wertvolle Logik-Wissenschaft. Gleichzeitig bestand die Notwendigkeit, jenen, die den Islam neu annahmen, die Existenz Allahs, des Erhabenen, Seine Einheit, Seine Zeitlosigkeit, dass Er nicht geboren wurde und nicht gebiert, auf eine Weise zu erklären, die sie verstehen konnten. Die Gelehrten des Kalâm, möge Allah mit ihnen barmherzig sein, waren hierin sehr erfolgreich. Bei dieser gesegneten Aufgabe unterstützten muslimische Naturwissenschaftler die Gelehrten des Kalâm. So hat z. B. der Logiker und Astronom Yâqûb ibn Ishâq al-Kindî, jahrelang gearbeitet, um die Sabier und die Wasaniyya genannten Götzenanbeter von ihrem falschen Glauben abzubringen, und schließlich belegte er ihnen mit Beweisen, dass ihre Gedanken falsch waren. Doch er selbst verfiel leider den wirren Gedanken antiker griechischer Philosophen und wurde ein Mûtazilî. Er starb im Jahre 260 n. H. [873 n. Chr.] in Bagdad.
Zur Zeit des fünften abbasidischen Khalifen Hârûn ar- Raschîd [1] wurde in Bagdad eine Einrichtung namens „Dâru‘l- Hikma“, „Haus der Weisheit“, ins Leben gerufen. Diese Einrichtung war wie ein riesiges Übersetzungsbüro. Nicht nur in Bagdad, sondern auch in Damaskus, Harrân und Antiochia / Antakya wurden solche Zentren der Wissenschaft gegründet. In diesen wurden Werke aus dem Griechischen und dem Lateinischen übersetzt. Dazu kamen Werke aus dem Indischen und dem Persischen. Das bedeutet, dass die Idee der „Renaissance“ [Rückbezug zu den Werken der Antike] erstmals in Bagdad begann. Zuerst wurden die Werke von Platon, Porphyrios und Aristoteles ins Arabische übersetzt. Die Gelehrten des Islam, möge Allah mit ihnen barmherzig sein untersuchten diese Werke sorgfältig. Sie bewiesen, dass einige der Gedanken der griechischen und lateinischen Philosophen korrekt, doch die Mehrzahl ihrer Gedanken falsch waren. Âyât und ehrwürdige Hadîthe, die „Muhkam“ sind, zeigten sich als den Schlussfolgerungen ihres Verstandes und ihrer Logik widersprechend. Es wurde festgestellt, dass diese Philosophen auf den meisten Gebieten der Natur- und Religionswissenschaften unwissend waren und dass sie sich auf Gebieten, die der Verstand und das Denken schwer begreifen können, oftmals irrten. Echte Gelehrte wie z. B. Imam Ghazâlî und Imam Rabbânî, möge Allah mit ihnen barmherzig sein, sahen, dass diese Philosophen nicht an die fundamentalsten Glaubenssätze glaubten, und erklärten den Irrglauben, der zu ihrem Unglauben führte. Im „Al-Munkizu ani‘d-Dalâl“, „Die Rettung vor der Irre“, des Imam Ghazâlî gibt es über dieses Thema ausführliche Informationen.
Wahre Gelehrte des Islam folgten, was die Wissenschaft des Kalâm betrifft, und in ihren Erklärungen der „Mutaschabihât“ unter den Âyât und ehrwürdigen Hadîthen einzig und allein dem, was der Gesandte Allahs, Friede sei mit ihm, und seine Gefährten, möge Allah mit ihnen allen zufrieden sein, als Urteil äußerten, lehnten die Gedanken der früheren Philosophen, die diesem Urteil widersprachen, ab, und so bewahrten sie den Glauben des Islam davor, wie das Christentum entstellt zu werden. Unwissende glauben, dass jedes Wort von Philosophen korrekt sei, und akzeptieren sie bedingungslos. So entstand die „Mûtazila“ genannte Sekte unter den Muslimen. Unser Prophet, Friede sei mit ihm, hatte vorausgesagt, dass unter Muslimen 72 irregeleitete Gruppen aufkommen würden. Es traten Philosophen wie Ibn Sinâ, Fârâbî, Ibn Tufayl, Ibn Ruschd und Ibn Bâdscha in Erscheinung, die sich von griechischen, indischen, persischen und lateinischen Philosophien beeinflussen ließen und in einigen Punkten vom wahren Weg des edlen Qur’ân abwichen. Ibn Khaldûn [2] teilt die islamischen Wissenschaften als „Ulûmu‘n- Naqliyya“, „übertragenes Wissen“ [Tafsir, Erklärung des Qur‘ân; Qira‘a, die Wissenschaft der Rezitation des edlen Qur’ân; ehrwürdige Hadîth, Aufzeichnungen der Sunna; Fiqh, Wissenschaft von der Anwendung der Rechtswissenschaft; Ferâid, das Erbrecht; Kalâm, die Wissenschaft der Details der Glaubenssätze; Tasawwuf, die Wissenschaft von der Annährung] und „Ulûmu‘l-Aqliyya“, „intellektuelles Wissen“ [Logik, Physik, Biologie, Chemie, Mathematik, Geometrie, Vermessung, Diskurs und Astronomie] in zwei Bereiche. Der erste ist der Bereich der Religionswissenschaften, der zweite der der empirischen Erkenntnis, die sogenannten Naturwissenschaften.
Imam Ghazâlî, möge Allah mit ihm barmherzig sein, lernte Griechisch, studierte die griechische Philosophie und lehnte jene Teile ab, die er unrichtig fand. Gedanken aus der Philosophie, die zu Zeiten des Hârûn ar-Raschîd, möge Allah mit ihm barmherzig sein, in die islamischen Wissenschaften beigemischt wurden, haben Philosophen wie Montesquieu, Spinoza und andere geleitet und sie selbst sagen, dass sie unter dem Einfluss von Fârâbî standen, den sie „Farabius“ nannten.
Imam Ghazali, möge Allah mit ihm barmherzig sein, bekämpfte die Gruppe der „Dâî“ aus der Schî‘a, der ersten der 72 irregegangenen Gruppen. Die Dâî behaupteten, dass der edle Qur‘ân eine innere, „bâtini“, und eine äußere, „zâhiri“, Bedeutung habe. Daher wurde diese Gruppe die „Bâtinîyya“ genannt. Es war ein Leichtes für Imam Ghazali, die Philosophie dieser Gruppe zu widerlegen. Nach dieser Niederlage entfernten sich die Bâtinîyya noch mehr vom Islam. Durch ihre verdrehte Deutung von Âyât und ehrwürdigen Hadîthen, deren Bedeutung nicht offensichtlich ist (Mutaschâbihât), wurden sie zu Mulhidûn, zu Leuten, die aus dem Islam hinausgleiten. Aufgrund ihrer politischen Ambitionen gingen sie über das Maß hinaus und wurden zu einer Plage für die wahren Muslime der Gruppe der Ahlu‘s-Sunna.
Die Schî‘a behaupteten von sich, Anhänger Alîs zu sein, möge Allah mit ihm zufrieden sein, und sie brachten eine neue Philosophie in den Islam. Diese Gruppe verästelte sich in viele weitere Untergruppen. Die Khâridschiten gaben zunächst vor, Anhänger Alîs zu sein, möge Allah mit ihm zufrieden sein, doch sie feindeten ihn später an. Denn nach ihrem Glauben ist jemand, der große Sünden begeht, ein Ungläubiger. Deswegen haben sie behauptet, dass Alî und Muâwiya, möge Allah mit beiden zufrieden sein, Ungläubige wurden. Gegen diese Art zu glauben tauchte eine weitere Art des Glaubens auf, deren Anhänger alles nach dem Verstand beurteilten und sagten, dass Menschen hier in dieser Welt nicht über große Sünden wie das Töten von Muslimen urteilen könnten und dass allein Allah, der Erhabene, im Jenseits über sie urteilen würde und dass solche Menschen weder Gläubige noch Ungläubige wären. Die Anhänger dieser neuen Glaubensweise wurden „Mûtazila“ genannt. Aus der Gruppe der Schî‘a kam auch die Gruppe der „Ghâliya“, die „Transgressoren“, hervor, nach deren Glauben das Paradies und die Hölle bereits hier in dieser Welt geschehen. Diese sind ganz und gar Ungläubige und haben mit dem Islam nichts zu tun.
Die Briten, die den Islam von innen zerstören wollen, brachten unter dem Titel „Islam“ neue irregegangene Gruppen hervor. Unter diesen wurden die Bahâî, die Qâdiyânîs und die Dschamâ‘at-i Tabligh sehr bekannt. In der Kategorie “Braucht der Islam eine Reform? ” dieser Seite und auf Seite 499 im Buch „Se’âdet-i Ebediyye“, „Das ewige Glück“, wird darüber informiert.
1. DIE BAHÂÎ – ihr Anführer ist ein Perser namens Elbâb Alî. Er nannte sich „Der Spiegel“ und behauptete: „In diesem Spiegel ist Gott zu sehen.“ Als er starb, wurde zuerst Bahâullah, dann dessen Sohn Abbâs der Anführer. Als Abbâs im Jahre 1339 n. H. [1921 n. Chr.] starb, folgte ihm sein Sohn Schevkî. Bahâullah behauptete, ein Prophet zu sein. Gemäß ihnen ist die Zahl 19 heilig. Sie betrachten jede Art der Unanständigkeit als Tugend. Sie verfügen über Publikationen in allen Sprachen. Sie lernten von den Briten, wie man Menschen täuscht.
2. DIE QÂDIYÂNÎYYA – sie werden auch „Ahmadîyya“ bezeichnet. Muhammed Abû Zahra, einer der Lehrer der Universität von al-Azhar, sagte: „Der Gründer der Qâdiyânîyya, Mirzâ Ahmed, starb 1326 n. H. [1908 n. Chr.]. Er wurde im Dorf Qâdiyân in der Nähe der Stadt Lahore begraben. Sie behaupten, dass Îsâ, Friede sei mit ihm, vor den Juden nach Kaschmir geflüchtet und schließlich dort verstorben sei. Sie behaupten, dass Mirzâ Ahmed aus Qâdiyân ein Prophet war. Sie sagen, dass im edlen Qur‘ân die Juden und Christen ‚gesegnete Menschen‘ genannt würden und dass es daher einer Anbetung gleichkommt, die Briten zu lieben. Sie behaupten weiterhin, dass das Gebot zum Dschihâd aufgehoben sei. Sie sagen, dass sie niemanden Ungläubiger nennen, der sie selbst nicht Ungläubiger nennt, dass sie ihre Mädchen nicht mit Leuten verheiraten dürfen, die nicht Qâdiyânî sind, aber die Mädchen anderer Leute heiraten dürfen.“ Jene, die nicht wie sie glauben, nennen sie „Ungläubige ohne Buch“.
Allâma Husayn Muhammed, möge Allah mit ihm barmherzig sein, einer der Lehrer an der Madrasa Dîr-i Zûr, schreibt in seinem Buch „ar-Raddu ala‘l-Qâdiyânîyya“, „Widerlegung der Qâdiyânîyya“, ausführlich über die Aussagen der Qâdiyânîs, die zu ihrem Unglauben führen. Hinter solchen Namen verstecken sich Ungläubige, die sich als Muslime ausgeben. Sie debattieren mit Christen und Juden und beweisen, dass der Islam die wahre Religion ist und der einzige Weg, der zum Glück führt. Wer sich von ihnen überzeugen lässt, der wird sodann Muslim. Doch die Bahâî, die Qâdiyânî, die Schi‘îten und die Wahhâbîten betrügen diese armen Menschen und lotsen sie zu ihren eigenen irregegangenen Sekten. Der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Physiker Abdussalam z. B. ist ein Qâdiyânî. Ahmed Deedat, der in den 1980er Jahren in Südafrika gegen die Christen debattierte und sie zum Islam einlud, gehört auch nicht zur Ahlu‘s-Sunna. Diese Leute verhindern, dass neue Muslime den wahren Weg der Ahlu‘s-Sunna finden, der zum ewigen Glück führt.
[1] Hârûn ar-Raschîd starb 193 n. H. [809 n. Chr.] in Tûs.
[2] Ibn Khaldûn starb 808 n. H. [1406 n. Chr.].