Muslimsein bedeutet nicht Spielchen, Musikfeste, Zaubertricks oder Gaukelei. Der große Gelehrte und einer der Schaykhu‘l- Islam des Osmanischen Reiches, Ahmed ibn Kemâl Efendi, möge Allah mit ihm barmherzig sein, [1] sagt in seinem Buch „El- Münîre“: „Das erste, was für den Schaykh und den Murîd notwendig ist, ist die Befolgung des Islam. Islam bedeutet jene Sachen, die Allah, der Erhabene, befohlen oder verboten hat. Unser Prophet, Friede sei mit ihm, sagte: ‚Selbst wenn ihr seht, dass jemand durch die Luft fliegt oder auf dem Meer geht oder Feuer in seinen Mund legt und es schluckt, aber seine Worte und Taten entsprechen nicht dem Islam, dann wisst, dass er ein Magier, Lügner und ein Irrer ist, der die Menschen vom Weg abbringt.‘“ Der Islam, den die Gelehrten der Ahlu‘s-Sunna, möge Allah mit ihnen allen barmherzig sein, lehren, ist eine Religion, der von jedem Aberglauben fern ist und dem gesunden Menschenverstand entspricht. Das heilige Buch des Islam ist der edle Qur‘ân. Im edlen Qur‘ân wird die Anbetung einzig und allein Allahs, des Erhabenen, geboten und diese Formen der Anbetung sind von Ihm verfügte, elegante, würdevolle, der Gesundheit nützliche und dem Dienersein am besten entsprechende Formen. Wie im edlen Qur‘ân verkündet wird, sind vor Allah, dem Erhabenen, alle Muslime gleich. Ein Muslim ist einem anderen Muslim nur aufgrund seines islamischen Wissens und seiner Frömmigkeit überlegen. Taqwâ bedeutet Ehrfurcht vor Allah. In Vers 13 der Sûre ‚al-Hudschûrât‘, ‚Die Wohnungen‘, im edlen Qur‘ân heißt es sinngemäß: „Der Edelste unter euch ist der, der am meisten Taqwâ vor Allah hat.“ Nirgendwo im edlen Qur‘ân wird befohlen, dass man Zwang anwendet, um die Menschen zum Islam zu bekehren, sondern dies wird im Gegenteil verboten. Der Dschihâd wird unternommen, um den Islam zu verkünden und nicht um den Menschen den Glauben aufzuzwingen. Im edlen Qur‘ân werden stets die Barmherzigkeit und das Mitgefühl Menschen gegenüber befohlen. Wer diese Befehle missachtet, der hat mit dem Islam nichts mehr zu tun.
Es gibt heute noch Bruchstücke in der ‚Heiligen Schrift‘, die ursprüngliche Befehle Allahs, des Erhabenen, enthalten. In diesen werden wie im edlen Qur‘ân auch Mitgefühl und Barmherzigkeit befohlen. Die Gelehrten des Islam akzeptieren Stellen in der Thora und dem Evangelium, die im Einklang mit dem Islam stehen, als Überreste der ursprünglichen Worte Allahs. Ursprünglich war das Christentum eine Religion, die den Glauben an einen Gott befahl. Der Gedanke der Trinität entstand als Folge der Unternehmungen der Juden um das Christentum zu zerstören, und als Folge falscher Interpretationen. Îsâ, Friede sei mit ihm, sagte: ‚Wenn dir jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin‘, und er bat für jene, die ihm Unrecht taten: ‚O Allah! Vergib ihnen ihre Sünden, denn sie wissen nicht, was sie tun.‘ Wenn also beide Religionen das Mitgefühl und die Barmherzigkeit zum Thema haben, wenn beide Religionen auf die Prinzipien der Geduld und der guten Meinung gründen – wie konnten dann dieser sich durch Jahrhunderte fortsetzende Hass und diese Gewalt entstehen? Diese Gewalttaten und dieses Unrecht haben allein die Christen begangen. Dies gestehen sie selbst ein.
Die Berichte der schrecklichen Ereignisse, die zuvor erwähnt wurden, sind den Werken christlicher Priester und Historiker entnommen. Hätten wir diese Berichte aus den Werken von Gelehrten des Islam zitiert, dann hätte man vielleicht Zweifel äußern können. Wie lange hielten diese Barbarei und dieses Unrecht gegen Muslime an? Schauen wir wiederum in christliche Quellen, um zu sehen, wie lange die Inquisitionsgerichte andauerten. Nach europäischen Quellen währten die Inquisitionsgerichte von 578 bis 1222 n. H. [1183 bis 1807 n. Chr.], also sechs Jahrhunderte lang. In diesen schrecklichen Gerichten wurden in Italien, Spanien und Frankreich unzählige Menschen um ‚der Religion willen‘ oder wegen persönlicher Interessen von Priestern oder weil sie neue Gedanken äußerten, zu Unrecht zum Tode verurteilt, bei lebendigem Leib verbrannt oder verschiedenen Foltern ausgesetzt.
Die Juden und die Muslime in Spanien führten ein elendes Leben, bis sie ganz vernichtet wurden, durch diese Gerichte, und der spanische König Ferdinand V. [2] , der sogar seinen eigenen Sohn zum Tode verurteilte, prahlte: ‚Nunmehr gibt es in Spanien weder Muslime noch Heiden.‘ Diese Gerichte vernichteten nicht nur Angehörige anderer Religionen, sondern auch jeden Denker, und alle wissenschaftlichen Neuerungen wurden als Sünde erachtet.
Selbst Galileo Galilei, der von den Muslimen erfahren hatte, dass die Erde eine Kugel ist, und dieses Wissen in Europa verbreitete, wurde wegen seiner Äußerungen vor ein Inquisitionsgericht gestellt und konnte sich nur retten, indem er seine Aussagen widerrief. Diese Gerichte wurden von Priestern geleitet, alle Prozeduren wurden insgeheim durchgeführt und ihre Sitzungen und die Versammlungen ihrer Richterräte fanden hinter verschlossenen Türen statt. Diese Gerichte sind ein Schandfleck in der Geschichte der Menschheit und ein schwarzer Fleck, der dem Christentum anhaftet. In Spanien wurde die Inquisition im Jahre 1222 n. H. [1807 n. Chr.] von Napoleon Bonaparte gegen viel Widerstand abgeschafft und, nachdem sie nach seinem Fall wieder für einige Zeit auflebte, wurde sie im Jahre 1250 n. H. [1834 n. Chr.] zu Geschichte. Obwohl die Zahl der Menschen, die durch diese zahlreichen Gerichte zu Tode verurteilt wurden, nicht genau bekannt ist, handelt es sich zweifellos um Millionen. Wenn man sich Zahlen anschaut, wie dass ein eher kleineres Gericht in Spanien 28.000 Menschen zum Tode verurteilte, dann lässt sich sich ausrechnen, wie viele Menschen durch alle diese Gerichte, von denen es sehr viele gab, in den Tod geschickt wurden. Ishaq Efendi aus Harput, möge Allah mit ihm barmherzig sein, unternimmt in seinem Buch ‚Diyâu‘l-Qulûb‘, ‚Die Lichter der Herzen‘, eine Schätzung der Übergriffe, des Unrechts und der Massaker, die Christen gegenüber Muslimen und Juden sowie Katholiken gegenüber Protestanten und Protestanten gegenüber Katholiken verübten. Demnach wurden nach Berichten christlicher Historiker während der Kreuzzüge, während der Vernichtungskriege gegen Andersgläubige zur Zeit des byzantinischen Kaisers Theophilos und seiner Frau Theodora, während der Massenhinrichtungen auf Befehl des Papstes Gregorius VII., in den Massentötungen während des 14. Jahrhunderts n. Chr. Zur Bekehrung von Menschen zum Christentum mit Gewalt, während der Vernichtung von Muslimen und Juden in Andalusien, in der Bartholomäusnacht und während späterer Verbrechen in Irland, um die Protestanten zu vernichten, während der Tötung von Katholiken auf Befehl der englischen Königin Elisabeth mindestens 25 Millionen Menschen um ihr Leben gebracht.
Wenn man noch die Massaker, die die Russen im Jahre 1321 n. H. [1903 n. Chr.] in Zentralasien und während der Bolschewistischen Revolution im Jahre 1336 n. H. [1917 n. Chr.], weltweit nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere aber im Jahre 1406 n. H. [1986 n. Chr.] in Afghanistan verübten, dazuzählt, erhöht sich diese Zahl noch einmal wesentlich.
Aus den Belegen, die oben aufgeführt wurden und von denen die meisten aus den Büchern von Christen stammen, werden folgende Tatsachen ersichtlich:
1. Der Islam war niemals eine barbarische Religion und die Muslime haben niemals Übergriffe unternommen, um die Christen zu vernichten. Im Gegenteil, die Muslime haben die Christen nötigenfalls beschützt.
2. Im Gegensatz dazu haben Christen einander gegen Muslime und Juden und auch gegen ihre eigenen, anderen Konfessionen angehörigen Brüder im Glauben aufgehetzt, behandelten sie grausam und verübten jede Grausamkeit.
Jene, die diese Gewalttaten leiteten, taten dies aus persönlichem Interesse oder weil sie dachten, etwas Gutes für ihre Länder zu vollbringen, oder um zu plündern oder um Rache zu üben, d. h. aus Gründen, die nichts mit der Religion zu tun haben, oder „im Namen der Religion“, und sie haben dabei unschuldige Menschen getötet.
Religion ist der Weg, mit dem Allah, der Erhabene, zufrieden ist, in dem reiner Charakter geboten ist sowie die Barmherzigkeit, Liebe, Respekt vor Älteren, Mitgefühl mit Jüngeren geboten wird und der auf den richtigen Weg weist, und es gilt, dass es eine große Sünde darstellt, diesen Weg für persönliche Zwecke zu missbrauchen. Es ist eine große Sünde, die Religion für politische Zwecke zu missbrauchen oder zum Mittel für andere schädliche Zwecke und Interessen zu machen, Unwissende und Ignoranten im Namen der Religion aufzuhetzen. Allah, der Erhabene, der vergebend und erbarmend ist, verurteilt diese Sünden am meisten. Wie kann man einen Papst oder einen Kardinal, der sich den Geboten seines heiligen Buches widersetzend die Menschen versammelt, um Muslime zu töten, einen Mann der Religion nennen? Oder was haben Fanatiker, die Muslime mit dem Spruch: ‚Der Glaube geht verloren!‘ gegen ihren eigenen Sultan aufhetzen, mit dem Islam zu tun? Alhamdulillah, heute gibt es nicht mehr so viele Unwissende und Narren, die sich blind hinter religiöse oder wissenschaftliche Fanatiker stellen. Heute lernen christliche und muslimische Jugendliche die Sprache des anderen, besuchen die Länder der anderen und lernen einander durch die vielen neuen Kommunikationsmittel kennen und verstehen. Heute sehen die Christen, dass der Islam nicht eine barbarische Religion ist, und verstehen, dass im Grunde beide Religionen die gleichen Grundsätze lehren.
Viele Christen drücken ihr Bedauern über das in der Geschichte von Christen verübte Unrecht aus und sagen, dass sie selbst nicht so denken, sondern dass sie im Gegenteil glauben, dass der Islam eine zivilisierte Religion, die Muslime reife, zivilisierte und liebenswürdige Menschen mit gutem Charakter sind. Ja, sie selber antworten sogar denen, die das Gegenteil davon behaupten. Beten wir darum, dass von nun an Menschen den Islam als ihren Glauben annehmen und gegen jene kämpfen, die ihn für persönliche und niedere Zwecke missbrauchen und verhindern wollen, dass er bekannt wird, und die sich dafür einsetzen, dass Völker, die Gefangene solcher Charaktere sind und unter ihrer Quälerei leiden, ihre Freiheit und ihre Rechte als Menschen erlangen. Möge Allah, der Erhabene, allen Menschen bescheren, dass sie mit dem Islam, der einzigen wahren Religion bei Ihm, geadelt werden und ihn ganz und korrekt befolgen. Âmîn.
Allah ist mein Herr und Muhammed in der Tat mein Prophet.
Und dann der Islam meine Religion und das Wort Allahs mein Buch.
Allah sei Dank ist im Glauben mein Weg, der der Ahlu’s-Sunna.
Und was die Praxis betrifft, so folge ich Abû Hanîfa, ohne Zweifel.
[1] Ahmed ibn Kemâl starb 940 n. H. [1534 n. Chr.].
[2] Ferdinand V. Starb 922 n. H. [1516 n. Chr.].