Frage: Der Schöpfer dieser Welt und Seine Eigenschaften sind von jeher, qadîm, d. h. anfangslos und ewig. Müsste daher auch nicht diese Welt anfangslos sein?
Antwort: Wir beobachten immerzu, dass der anfangslose Schöpfer die Substanzen, also deren Teilchen, durch verschiedene Ursachen ständig verändert, sie zerfallen und aus ihnen neue entstehen lässt. Der anfangslose Schöpfer bringt die Stoffe auseinander hervor, wann Er will, also zu jeder Zeit. So, wie Er alle Welten, jede Substanz und alle Teilchen aus Ursachen erschafft, kann Er, wenn Er will, auch grundlos etwas aus dem Nichts erschaffen.
Wer glaubt, dass die Welten anfänglich sind, der glaubt (in der Folge) auch, dass sie vergänglich sind, also wieder vernichtet werden. Dass Seiende, die aus dem Nichts erschaffen wurden, wieder vergehen können, ist offensichtlich. Wir können bereits jetzt beobachten, wie viele Seiende zerfallen und vergehen.
Es gehört zum Muslimsein, dass man glaubt, dass alle Substanzen und Körper, also alles Seiende, aus dem Nichts erschaffen wurde und dass sie alle wieder vernichtet werden. Wir beobachten, dass Körper, die zunächst nicht vorhanden sind und dann entstehen, wieder zerfallen und vergehen, d. h., dass ihre Formen und Eigenschaften vergehen. Dass, auch wenn die Substanzen, aus denen diese Körper entstanden sind, nach der Auflösung der Körper verbleiben, diese dennoch nicht anfangslos sind, sondern in der Anfänglichkeit von Allah, dem Erhabenen, erschaffen wurden, und dass sie am Letzten Tag wieder vernichtet werden, haben wir zuvor erklärt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse unserer Zeit widersprechen nicht diesem Glauben. Daran nicht zu glauben, würde auch bedeuten, die Wissenschaft zu leugnen und den Islam anzufeinden. Im Islam werden die Naturwissenschaften nicht abgelehnt. Abgelehnt wird, dass die Religionswissenschaften nicht erlernt werden und dass die Verpflichtung der Anbetung nicht erfüllt wird. Die Naturwissenschaften wiederum widersprechen dem Islam nicht, ja, sie bestätigen und bekräftigen ihn sogar.
Da die Welt anfänglich ist, hat sie einen Erschaffer. Wir haben weiter oben erklärt, dass Ereignisse nicht von selbst in Gang gesetzt werden. Heutzutage werden in Fabriken tausende von Medikamenten, Haushaltsgeräten, Industrie- und Handelsprodukten, elektronischen Geräten und Kriegsgeräten hergestellt. Die allermeisten davon werden aufgrund feiner Berechnungen und nach Hunderten von Erfahrungen bewerkstelligt. Wird auch nur von einem dieser Dinge behauptet, es sei von alleine hervorgekommen? Wie kann man einerseits sagen, dass alle diese Dinge bewusst und gewollt hergestellt werden und dass sie alle einen Hersteller haben, und andererseits sagen, dass die sowohl bei den organischen als anorganischen Seienden beobachtbaren unzähligen Substanzen und Vorgängen, von denen in jedem Jahrhundert neue und feinere entdeckt werden und von den meisten die Beschaffenheit noch nicht einmal verstanden ist, von selbst und zufällig entstanden sind? Was kann eine solche Heuchelei anderes sein als starre Sturheit und offensichtliche Dummheit? Man sieht also, dass es einen einzigen Schöpfer gibt, der jede Substanz und jeden Vorgang erschafft. Dieser Schöpfer ist der, „dessen Existenz notwendig ist“, der „Wâdschibu“l-Wudschûd“. Das bedeutet, dass Seine Existenz ein anfangsloses und nicht etwa ein nachträglich ins Sein Gekommenes ist. Es ist notwendig, dass Er immer ist. Er benötigt nichts und niemanden, um zu sein. Wäre es für Ihn nicht notwendig, schon immer zu sein, wäre Er ein „mögliches Sein“, „Mumkinu‘l-Wudschûd“. Er wäre dann wie alle Welten (Seienden) ein anfängliches Zeitliches, also ein Geschöpf. Ein Geschöpf kann nur aus der Verwandlung eines anderen Geschöpfs entstehen oder aus dem Nichts erschaffen werden, was wiederum eines Schöpfers, eines Hervorbringers, bedarf. Sodann würde es endlos vieler Schöpfer bedürfen. Wenn wir bedenken, dass die Wandlungen der Geschöpfe nicht anfangslos sein können, wie wir weiter oben erklärt haben, dann wird auch verständlich, dass es ebenso keine endlose Folge von Schöpfern geben kann, sondern dass es einen ersten Schöpfer geben muss. Zu behaupten, dass Schöpfer sich in einer anfangslosen Folge hervorbringen, würde bedeuten, dass es gar keinen Schöpfer gibt. Der erste, unerschaffene erste Schöpfer ist der einzige Schöpfer aller Geschöpfe. Es gibt keinen Schöpfer vor Ihm oder nach Ihm. Der Schöpfer wird nicht erschaffen. Ihn gibt es schon immer. Wäre Er für einen Moment nicht, würde alles Seiende wieder unseiend.
Der, dessen Existenz notwendig ist, ist in keiner Hinsicht auf irgendetwas angewiesen. Es ist notwendig, dass der, der die Erde und die Himmel, die Atome, die Lebewesen alle in einer Ordnung und nach einem Maß erschaffen hat, uneingeschränkt mächtig und wissend ist, das, was Er will, sofort zu vollbringen vermag, dass Er Einer ist und dass Er keinerlei Wandlung unterworfen ist. Wenn Er nicht uneingeschränkte Kraft besäße und nicht wissend wäre, könnte Er nicht Geschöpfe in einer solchen Ordnung und gemäß einem solch feinen Maß hervorbringen. Gäbe es mehr als einen Schöpfer, dann würde die Schöpfungskraft jener, deren Wille sich bei der Erschaffung einer Sache nicht durchsetzt, ausgesetzt, wodurch sie wiederum eben keine Schöpfer wären, oder die (durch mehrere Willen gleichzeitig) erschaffenen Geschöpfe wären ein wirres Durcheinander. Um mehr hierüber zu erfahren, können z. B. Die arabischen und türkischen Erläuterungen des Gedichtes „Qasîda Emâlî“ von Alî Ûschî [1] gelesen werden.
Der Schöpfer ist keinem Wandel unterworfen. So wie Er ist, war Er auch vor der Schöpfung der Welt. So, wie Er alles Seiende und alle Ereignisse aus dem Nichts geschaffen hat, so bringt Er auch zu jeder Zeit und auch jetzt alles Seiende und alle Ereignisse hervor. Wandlung ist das Anzeichen dafür, ein Geschöpf zu sein, d. h. aus dem Nichts erschaffen zu sein. Dass Er immer ist und Seine Existenz niemals enden wird, haben wir weiter oben erklärt. Daher ist Er keinem Wandel unterworfen. So, wie die Geschöpfe bei ihrer ersten Erschaffung Seiner bedurften, so bedürfen sie Seiner auch in jedem Augenblick (für ihr Fortwähren im Sein). Er allein ist es, der alles erschafft und jeden Wandel bewirkt. Damit alles in einer Ordnung ist und damit Menschen leben und zivilisiert sein können, erschafft Er alles aus Ursachen heraus. So, wie Er die Ursachen selbst erschafft, erschafft Er auch die Wirkkraft der Ursachen, ihr Vermögen, Ereignisse in Gang zu bringen. Die Menschen sind Instrumente, die beim Einwirken der Mittel auf die Materie dienen.
Das Essen bei Hunger, die Einnahme von Medizin bei Krankheit, das Entzünden eines Streichholzes, um ein Licht anzuzünden, das Füttern von Kühen, um Milch zu erhalten, kurzum, die Nutzung von allerlei Ursachen ist das Mittel zur Erschaffung neuer Sachen. Auch der Wille des Menschen und seine Kraft ergeben Ursachen, die Allah, der Erhabene, erschaffen hat. Auch die Menschen werden zu Mitteln für das Erschaffen Allahs, des Erhabenen. Es ist diese Weise, die Allah, der Erhabene, für das Erschaffen wünscht. Man sieht, dass die Aussage, der Mensch habe etwas erschaffen, eine ignorante Aussage darstellt, die dem Verstand und der Religion widerspricht.
Es ist notwendig, dass die Menschen diesen einzigen Schöpfer, der sie erschaffen hat, der sie am Leben hält und die Sachen, derer sie bedürfen, erschaffen und ihnen zukommen lässt, lieben und Seine Diener und Seine Gehörigen sind. Das heißt, dass es für die Geschöpfe notwendig ist, dass sie Ihn anbeten, Ihm gegenüber gehorsam und respektvoll sind. Dass das so ist, wird auf Seite 11 dieses Buches in dem teilweise zitierten 17. Brief aus dem 3. Band der „Maktûbât“, „Die Briefe“, des Imâm Rabbânî ausführlich erklärt. Dieser eine Gott, dessen Existenz notwendig ist, hat selbst verkündet, dass Sein Name „Allah“ ist. Seine Untertanen haben nicht das Recht, einen Namen, den Er verkündet hat, zu ändern. Etwas, das ohne Recht getan wird, ist eine Ungerechtigkeit und etwas Abscheuliches.
Die Christen und ihre Priester glauben, dass es drei Schöpfer gibt. Was wir bisher erläutert haben, zeigt, dass der Schöpfer Einer ist und dass die Lehren des Christentums und die Worte der Priester falsch sind.
Gäbe es kein Wissen, würde der Glaube sich verflüchtigen und schwinden,
Also gilt es, der Scham, die Ignoranz genannt wird,
Den Rücken zu kehren, das Volk insgesamt muss sich retten,
reichte es nicht aus als Belehrung das letzte Unglück?
Wenn du darüber sinnen würdest, was diese Belehrung gekostet hat,
würde dein Verstand sich in Tränen wandeln und aus deinen Augen strömen.
Wenn du nur wüsstest, was die letzten Ereignisse bedeuteten:
Wenn das Volk nicht zu sich findet, wird es untergehen.
Denn eine nächste Erschütterung wird nicht mehr so leicht abzufangen sein,
denn der nächste Schlaf wird der Tod sein, und davon gibt es kein Aufwachen.
Charakter und Moral müssen gestärkt werden und viel der Wissenschaft angeeignet.
Der Religion verbunden muss man dastehen als mit Wissen und Waffen bestückte Soldaten.
Nötig ist das Wissen in der Religion und der Fortschritt beim Militär,
Diese beiden sind es, die dem Volk Frieden bringen.