In diesem Buch „Itiqâdnâme“ wird eine ehrwürdige Hadîth des Gesandten Allahs, Friede sei mit ihm, erläutert, die über Glaube und Islam berichtet. Ich hoffe, dass der Glaube der Muslime durch den Segen dieser ehrwürdigen Hadîth gestärkt wird und dass sie so zu mehr Rechtschaffenheit und zu mehr Glück finden und dass dieses Werk ein Mittel zur Errettung des Khâlid, möge Allah sein Geheimnis segnen, wird, dessen Sünden und falsche Taten gar viele sind.
Solcherart vertrauend ist mein Glaube an Allah, den Erhabenen, der nichts und niemanden benötigt, dessen Großzügigkeit und dessen Güte sehr groß sind und der sehr barmherzig mit Seinen Dienern ist, dass ich Ihn bitte, unangemessene Worte dieses bedürftigen Khâlid in diesem Werk zu verzeihen und seine mangelhaften Taten der Anbetung anzunehmen. Möge Allah, der Erhabene, ihn vor dem trügerischen Übel des Schaytâns (Teufel) [und vor den erlogenen Worten und Schriften der Feinde des Islam] bewahren und ihn glücklich machen. Allah, der Erhabene, ist der Barmherzigste aller Barmherzigen und der Großzügigste aller Gütigen.
Die Gelehrten des Islam sagen, dass es für jeden „Mukallaf“, „rechtlich Verantwortlichen“, also jeden, der bei Verstand und erwachsen ist, also die Pubertät erreicht hat, notwendig ist, dass er [Allah, den Erhabenen, kennt, d. h.] die Eigenschaften des Wesens Allahs, des Erhabenen, und Seine unveränderlichen Eigenschaften, und an diese glaubt. Dies ist die erste Verpflichtung jedes Menschen. Dieses Wissen nicht zu kennen ist keine Entschuldigung. Sie nicht zu kennen ist eine Sünde. Dass Khâlid al-Bagdadî, Sohn des Ahmed, dieses Buch schreibt, dient nicht dazu, dass er anderen gegenüber Überlegenheit beweisen oder sich Ruhm aneignen möchte. Vielmehr dient es dazu, eine Erinnerung an ihn und einen Dienst am Menschen zu hinterlassen. Möge Allah, der Erhabene, diesem bedürftigen Khâlid [1] und allen Muslimen durch Seine Macht und durch die Hilfe der gesegneten Seele Seines Gesandten, möge Allah, der Erhabene, ihn segnen und ihm Frieden schenken, beistehen. Âmîn.
[Die „Sifâtu‘z-Zâtiyya“, die „Eigenschaften des Wesens“ Allahs, des Erhabenen, sind sechs. Diese sind: Wudschûd, Sein; Qidam, Ständigkeit ohne Beginn; Baqâ, Verbleib ohne Ende; Wahdâniyya, Einzigkeit; Mukhâlafatun li‘l-Hawâdis, Unvergleichlichkeit mit Erschaffenem und Qiyâm bi-Nafsihi, Selbstgenügsamkeit, was das Sein betrifft. „Wudschûd“ bedeutet Sein aus sich Selbst. „Qidam“ heißt, dass das Sein keinen Beginn, keinen Anfang hat. „Baqâ“ beinhaltet, dass das Sein kein Ende hat, dass ein Aufhören unmöglich ist. „Wahdâniyya“ bedeutet, dass Allah, der Erhabene, in keiner Hinsicht einen Partner oder einen Gleichen hat. „Mukhâlafatun li‘l-Hawâdis“ heißt, dass Er in keinem Seiner Eigenschaften irgendeinem Geschöpf auf irgendeine Weise ähnelt. „Qiyâm bi-Nafsihi“ beinhaltet, die Existenz Allahs, des Erhabenen, durch Ihn Selbst ist und dass er für das Fortwähren dieses Seins nichts bedarf. Keines der Geschöpfe besitzt eine dieser sechs Eigenschaften. Es gibt absolut keinen Bezug zwischen diesen Eigenschaften und den Geschöpfen. Manche Gelehrte haben gesagt, dass die Wahdâniyya und die Mukhâlafatun li‘l-Hawâdis dieselbe Eigenschaft darstellen und dass die Eigenschaften des Wesens somit fünf sind.]
Alles andere als Allah, der Erhabene, wird „Mâsiwâ“ oder „Âlem“, „Welt“ (die Gesamtheit der Geschöpfe), genannt. Heute spricht man auch von der „Natur“. Alle Welten existierten nicht, sondern wurden von Allah, dem Erhabenen, erschaffen. Alle Welten sind jeweils Mumkin (Mögliches) und Hâdis (Erschaffenes). Das heißt, dass es möglich ist, dass sie aus dem Nichtsein ins Sein kommen und aus dem Sein ins Nichtsein übergehen können, und tatsächlich sind sie aus dem Nichtsein ins Sein gekommen. Die ehrwürdige Hadîth, „Allah, der Erhabene, war und es existierte nichts anderes“ berichtet davon.
Ein zweiter Beweis dafür, dass die Welt Erschaffenes ist, liefert die Tatsache, dass sie stets einem Zerfall unterliegt und sich verändert. Alles befindet sich im Wandel. Doch das, was qadîm (ewig) ist, wandelt sich nicht. Derart sind das Wesen Allahs, des Erhabenen, und ebenso Seine Eigenschaften. Sie verändern sich nie und sind keinem Wandel unterworfen. [In der Welt jedoch findet in den physikalischen Abläufen eine Zustandsänderung der Materie statt. In chemischen Reaktionen verändert sich die Substanz, die Beschaffenheit der Materie. Wir können beobachten, wie Körper sich verflüchtigen und sich in andere Körper wandeln. In den nuklearen Reaktionen der Materie verflüchtigt sich sogar die Materie, d. h. die Elemente selbst, und sie verwandeln sich in Energie.] Dieser Wandel der Welten, ihr Entstehen voneinander, kann nicht von jeher so gewesen sein. Es ist notwendig, dass sie einen Anfang haben, dass sie aus einer Urmaterie, aus Urelementen, die aus dem Nichts erschaffen wurden, entstanden sind.
Ein weiterer Beweis dafür, dass die Welt ein Mögliches ist, dass sie also aus dem Nichtsein ins Sein kommen kann, ist ihr Hervorgebrachtes. Das heißt, dass alles nicht existierte und dann ins Sein kam. [„Wudschûd“], bedeutet Sein. Es gibt drei Arten des Seins: Die erste Art ist das notwendige Sein (Wâdschibu‘l- Wudschûd), d. h. das Sein, dessen Existenz unumgänglich ist. Dieses Sein ist ständig und fortwährend. Ein früheres Nichtsein oder ein späteres Nichtsein ist für diese Art Sein unmöglich. Allein Allahs, des Erhabenen, Sein ist notwendiges Sein (Wâdschibu‘l- Wudschûd). Die zweite Art des Seins ist das unmögliche Sein (Mumtani‘u‘l-Wudschûd), d. h., diese Art des Seins kann niemals existieren. Es ist notwendig, dass ein solches Sein immerzu nicht existent ist. Solch ein unmögliches Sein ist z. B. Ein Partner des Schöpfers. Also ist es unmöglich, dass es einen Partner neben Allah, dem Erhabenen, gibt und ein zweiter Gott wie Allah, der Erhabene, existiert. Die dritte Art des Seins ist das mögliche Sein (Mumkinu‘l-Wudschûd, das Mögliche), d. h., dass es sowohl sein kann als auch nicht sein kann. Alle Welten und alle Geschöpfe sind diese Art des Seins. Das Gegenstück des Wortes „Wudschûd“, „Sein“, ist das Wort „Adem“, „Nichts“. „Adem“ bedeutet Nichtsein. Vor ihrer Schöpfung befanden sich die Welten im Nichts, d. h., sie waren nicht.]
Es gibt zwei Arten von Existenz: Die erste ist „das mögliche Sein“ (Mumkinu‘l-Wudschûd), die zweite „das notwendige Sein“ (Wâdschibu‘l-Wudschûd). Wenn Sein nur mögliches Sein wäre und es kein notwendiges Sein gäbe, so gäbe es gar kein Sein. [Denn die Entstehung aus dem Nichtsein ins Sein ist eine Wandlung, ein Ereignis. Unser Wissen über physikalische Vorgänge besagt, dass es einer äußeren Kraft bedarf, die auf einen Körper wirkt, damit ein Ereignis mit einem Körper stattfinden kann. Die Quelle einer solchen Kraft muss also bereits vor diesem Körper existieren.] Daher kann mögliches Sein nicht von selbsther ins Sein kommen und aus sich selbst im Sein verbleiben. Würde nicht eine Kraft auf das Mögliche wirken, würde es im Nichts verbleiben. Es würde nie sein. Das, was sich selbst nicht ins Sein bringen kann, kann gewiss auch nicht andere Mögliche ins Sein hervorbringen. Das, was das Mögliche hervorbringt, muss also ein Sein sein, das notwendiges Sein ist. Somit (d. h. Aufgrund der Erklärungen über die Seinsart des Möglichen) zeigt das Sein der Welt, dass es einen Schöpfer gibt, der sie aus dem Nichts erschaffen hat. Somit ist klar, dass der einzige Schöpfer alles Möglichen der ist, dessen Sein notwendig ist, und der Selbst nicht ein Erschaffenes oder ein Mögliches ist. Er ist Qadîm, d. h. Wâdschibu‘l-Wudschûd. Notwendiges Sein bedeutet, dass dieses Sein anderer nicht bedarf, sondern aus sich selbst heraus existiert. Dieses Sein ist durch sich selbst fortwährend. Es wurde nicht durch andere als durch sich selbst hervorgebracht. Wäre dem nicht so, wäre dieses Sein (Allahs, des Erhabenen,) zwingendermaßen ein mögliches und zeitliches Sein, d. h. Erschaffenes. Und dies ist dem Denken zuwider. Im Persischen bedeutet das Wort „Hudâ“ von jeher ständig durch sich selbst sein, d. h. Qadîm.
Wir sehen, dass sich die Welten in einer erstaunlichen Ordnung befinden. Alle Jahre entdeckt die Wissenschaft neue Aspekte dieser Ordnung. Der Schöpfer einer solchen Ordnung muss Hayy (lebendig), Âlim (wissend), Qâdir (mächtig), Murîd (wollend), Samî (hörend), Basîr (sehend), Mutakallim (sprechend) und Khâliq (Schöpfer) sein. Denn Sterben, Unwissenheit, Ohnmacht, Handeln durch Zwang, Taubheit, Blindheit und Stummheit sind Mängel und Makel. Es ist unmöglich, dass der Schöpfer dieser Welt, der sie mit dieser Ordnung erschuf und sie vor dem Nichtsein bewahrt, solche mangelhaften Eigenschaften aufweist.
[Alle Geschöpfe sind nach einem Maß und gemäß einer Ordnung erschaffen. Die Ordnung, die wir in physikalischen, chemischen, biologischen und astronomischen Gesetzen entdecken, versetzt den Verstand in Erstaunen. Selbst Darwin, der kein Muslim war, sagte in diesem Sinne: „Wenn ich allein über die Ordnung und die Feinheiten des Auges nachdenke, ist mir, als würde mein Verstand vor Erstaunen bersten.“ Die Luft ist ein Gemisch aus 78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff und 1 % Edelgasen. Sie ist kein Gemenge, sondern ein Gemisch. Läge der Sauerstoffgehalt über 21 %, würde die Luft unsere Lungen verbrennen, wäre er geringer, würde er nicht in der Lage sein, die Nährstoffe im Blut zu verbrennen. Es könnten dann weder Menschen noch Tiere überleben. Dieser Gehalt von 21 % ändert sich nirgendwo und auch bei Regenfall nicht, was wiederum ein großer Segen ist. Zeigt dies nicht die Existenz Allahs, des Erhabenen, Seine Macht und Seine Barmherzigkeit? Gegenüber diesem Wunder bleibt der Aufbau des Auges ein Geringes. Wie könnte der, der alle Regelmäßigkeiten, die wir durch die Naturwissenschaften entdecken, erschaffen hat, je mangelhafte Eigenschaften aufweisen?]
Andere Eigenschaften der Vollkommenheit außer diesen sehen wir auch in den Geschöpfen. Er hat ebenso Seine Geschöpfe mit diesen Eigenschaften ausgestattet. Hätte Er nicht selbst diese Eigenschaften, wie könnte Er sie in Seinen Geschöpfen erschaffen? Hätte Er diese Eigenschaften nicht (aber Seine Geschöpfe doch), wären die Geschöpfe Ihm überlegen.
Wir sagen auch, dass der Schöpfer der Welten alle hohen Eigenschaften der Vollkommenheit aufweisen muss und keine der mangelhaften Eigenschaften haben darf. Denn, wer Mängel hat, kann kein Gott, kein Schöpfer, sein.
Wenn wir einmal von diesen intellektuellen Beweisen absehen, finden wir, dass auch in den Âyât und in den ehrwürdigen Hadîthen klar berichtet wird, dass Allah, der Erhabene, über Eigenschaften der Vollkommenheit verfügt. Es ist nicht statthaft, an diesen Eigenschaften zu zweifeln. Solch ein Zweifel würde zu Unglauben führen. Die oben erwähnten acht Eigenschaften der Vollkommenheit werden „Sifâtu‘s-Subûtiyya“, „unveränderliche Eigenschaften“, genannt. Das heißt, die unveränderlichen Eigenschaften Allahs, des Erhabenen, sind acht. Allah, der Erhabene, trägt sämtliche Eigenschaften der Vollkommenheit. In Seinem Wesen, in Seinen Eigenschaften und in Seinem Handeln gibt es weder Mängel noch Ungereimtheiten noch Veränderungen. Die „Eigenschaften des Wesens“ und die „unveränderlichen Eigenschaften“ werden „Sifâtu‘l-Ulûhiyya“, „göttliche Eigenschaften“, genannt. Wer glaubt, dass ein Geschöpf eine göttliche Eigenschaft hat, wird ein Polytheist.