Meine Freunde, die beauftragt waren wie ich, waren früher nach London zurückgekommen und hatten neue Aufträge bekommen. Nach meiner Rückkehr bekam ich auch neue Aufträge. Aber wir waren leider nur sechs, die in die Heimat zurückgekehrt waren.
Nach Angaben des Ministerialsekretärs wurde einer von den vier Nichtzurückgekehrten Muslim und ließ sich in Ägypten nieder. Trotzdem war der Sekretär zufrieden, denn dieser Kollege von uns hatte die Geheimnisse für sich behalten. Der zweite, der nach Russland geschickt war, blieb dort. Er war sowieso ein gebürtiger Russe. Der Sekretär war sehr traurig über ihn. Nicht, dass er in seine Heimat zurückgekehrt war, sondern dass er vielleicht bei Kolonialministerium im Auftrag von Russland Spionage getrieben hätte. Der dritte –so wieder nach den Angaben des Sekretärs– starb im Gebiet Imara bei Bagdad an der Pest. Der vierte konnte vom Ministerium bis nach Sana in Jemen verfolgt werden.
Und bis zum letzten Jahr gingen seine Berichte und seine Ermittlungen, seine geheimen Informationen beim Ministerium ein. Leider konnte man keine weiteren Informationen mehr von ihm erhalten. Trotz aller Anstrengungen fand man keine Spur von ihm. Unser Ministerium hielt es für ein Unglück, dass diese vier Beauftragten verschwunden waren. Denn wir Briten haben wenige Bürger, dafür aber große bedeutende Missionen. Deshalb legen wir auf jeden einzelnen unserer Bürger großen Wert.
Der Sekretär ließ uns alle, nach der Prüfung von einigen Berichten von mir, zusammenkommen, damit alle Berichte von uns vieren geprüft werden. Nachdem meine Kollegen ihre Berichte abgegeben hatten, legte ich auch meinen vor. Sie notierten sich einige Punkte aus meinem Bericht. Der Minister, der Sekretär und einige Teilnehmer lobten mich wegen meiner Leistungen. Dennoch war ich der Drittbeste. Mein Freund Georg Belcoud war der Erste und nach ihm kam Henry Fanse.
Ich hatte die Sprachen türkisch und arabisch und die Kunst der Koranrezitation sehr gut gelernt und die religiösen Kenntnisse aufs äußerste erworben. Aber es war mir nicht gelungen, einen Bericht über die schwachen Punkte des Osmanischen Reiches vorzubereiten. Nach der Sitzung, die zwei Stunden dauerte, fragte der Sekretär, warum ich keinen Erfolg hatte. Ich antwortete: “Meine eigentliche Pflicht war, türkisch, arabisch, den Koran und islamische Vorschriften zu lernen. Für andere Angelegenheiten konnte ich mir keine Zeit nehmen. Aber das nächste Mal werde ich Sie zufriedenstellen.” Der Sekretär sagte darauf: “Du kannst bestimmt Erfolg haben. Aber ich hätte gern, du wärest an der Spitze” und fügte folgendes hinzu:
“Du, Hempher, dein nächster Auftrag besteht aus zwei Punkten:
1. Die Schwächen der Muslime und die Stellen, in die wir leicht eindringen und ihre Gelenke voneinanander trennen können, zu entdecken.
Wahrlich ist das der Weg zu dem Ziel, den Feind besiegen zu können.
2. Wenn du diese Feststellung getroffen und auf meine Worte gehört hast (d.h. wenn du unter den Muslimen Feindschaft und Abneigung stiften kannst), so kannst du der beste Spion sein und das Ehrenmedaillon unseres Ministeriums verliehen bekommen.
Ich blieb sechs Monate in London und heiratete die Tochter meines Onkels Maria Shvay. Damals war ich 22 und sie 23. Sie hatte mittelmäßige Intelligenz und Kultur und war sehr schön. Den glücklichsten Teil meines Lebens verbrachte ich mit ihr in diesen Tagen. Sie war schwanger. Gerade da, wo wir auf unseren neuen Gast warteten, bekam ich den Order, nach Irak zu gehen.
Ich wurde sehr traurig darüber, dass ich bei dieser Situation gehen sollte. Die Heimatsliebe und der Ehrgeiz, unter meinen Kollegen und berühmt zu werden, gingen über meine ehemännischen und väterlichen Gefühle. Ohne Zögern nahm ich den Befehl an. Meine Frau beharrte sehr darauf, dass ich bis zur Geburt des Kindes bei ihr bleiben sollte. Ich durfte aber nicht auf ihre Worte hören. Am Abschiedstag weinten wir beide bitterlich. Meine Frau sprach: “Schreib mir bitte ununterbrochen! Auch ich werde dir über unser neues goldenswertes Nest schreiben.” Ihre Worte ließen in mir einen Sturm ausbrechen.
Beinahe hätte ich die Reise aufgeschoben. Aber es gelang mir, meine Gefühle zu unterdrücken. Ich verabschiedete mich von ihr und ging zum Ministerium, um die letzten Anordnungen zu bekommen.
Nach sechs Monaten war ich endlich in Basra, der irakischen Hafenstadt. Die Bevölkerung dieser Stadt teilte sich in zwei Gruppen, die Sunniten und die Schi’iten, ein. In der Stadt der Volksstämme Basra lebten Araber, Perser und zum Teil Christen zusammen. Ich lernte zum ersten Mal dort die schi’itischen Perser kennen. Aus diesem Anlaß möchte ich vom Schi’ismus und Sunnitentum reden.
Die Schi’iten behaupten, sie seien Anhänger von Ali bin Ebû Tâlib, dem Ehemann von Fâtîma, der Tochter des Propheten Muhammed, und dem Vetter von ihm. Außerdem behaupten sie auch, Muhammed habe Ali und später die zwölf Imâms (Religionsführer), seine Nachkommen, als Kalifen bestimmt.
Nach meiner Überzeugung haben die Schi’iten in der Sache des Kalifatentums von Ali und seinen Söhnen Hassen und Hüssejn recht. Denn soweit ich von der islamischer Geschichte weiß, war Ali eine hervorragende Persönlichkeit mit hohen Charakterzügen. Ich sehe es als wahrscheinlich an, dass der Prophet Muhammed auch Hassen und Hüssejn zum Kalifen ernannt hatte. Aber woran ich zweifle ist, dass er den Sohn von Hüssejn und seine weiteren acht Enkel zum Stellvertreter ernannte. Denn Hüssejn war noch ein Kind, als der Prophet Muhammed starb. Wie hatte er vorher gewusst, dass Hüssejn acht Enkel bekommen würde. Dies ist erst durch die Offenbarung ALLAHs möglich, wie es auch bei Messias war, wenn Muhammed wirklich ein Prophet ist. Wir Christen sind im Zweifel über das Prophetentum des Propheten Muhammed.
Die Muslime sagen: “Die Beweise des Prophetentums von Muhammed, sind zahlreich. Der eine ist der Koran.” Ich las den Koran. Er ist tatsächlich ein hervorragendes, erhabenes Buch. Sogar ist er erhabener als die Thora und die Bibel. Denn drin stehen die Dekreten, Fundamente, Anordnungen, moralische Lehre u.s.w. Es wundert mich, wie der Prophet Muhammed, der weder lesen noch schreiben konnte, ein solches erhabenes, und heiliges Buch zustande brachte.
Wie gelang es ihm, jene Moral, jene Intelligenz und jeneCharakter zu besitzen, während ein viel verreisender Mann mit hoher Bildung diese Eigenschaften nicht haben konnte? Sollten diese wohl dieBeweise für sein Prophetentum sein?
Ich war ständig auf der Nachprüfung, damit ich zu der eigentlichen Tatsache über den Propheten Muhammed kommen konnte. Einmal wandte ich mich diesbezüglich an einen Priester in London. Er antwortete mir fanatisch und eigensinnig, aber niemals überzeugend. In der Türkei hatte ich auch Ahmed Effendi zu diesem Thema einige Male gefragt. Ich konnte auch von ihm keine befriedigende Antwort bekommen. Es ist ein Faktum, dass ich keine deutliche Frage stellen konnte, da ich ja befürchtete, es käme ans Tageslicht, dass ich ein Spion war, oder sie würden mich verdächtigen.
Ich schätze den Propheten Muhammed sehr. Er ist gewiß einer von den Propheten ALLAHs, wie wir dies aus den Büchern erfahren haben. Trotzdem habe ich mich als ein Christ zu seinem Prophetentum noch nicht bekannt. Er ist sicher erhabener als alle anderen Genien.
Außerdem glauben die Sunniten wie folgt: “Die damaligen Moslems würdigten nach dem Tod des Propheten, Friede sei mit ihm, Ebû Bekir, Omar, Osman und Ali als Kalifen”.
Es ist doch bekannt, dass solche Streitigkeiten bei allen Religionen, besonders beim Christentum zu treffen sind. Omar und Ali sind schon gestorben. Es hat also keinen Sinn, darüber weiter zu diskutieren. Nach meiner Meinung denken die vernünftigen Moslems nicht mehr über die Vergangenheit, sondern über die Gegenwart.[Über den Kalifat Gedanken zu äußern ist eine Hauptange-legenheiten des Schiismus, während es nach den Sunniten nicht nötig ist. Dieser junge Brite verwechselt doch die religiösen Kenntnisse mit den irdischen. Genauso, wie er hier meint, machten die Muslime in Bereichen Mathematik, Architektur, und Medizin große Fortschritte. Als Galilei der berühmte italienischer Astronom, die Umdrehung der Erde, deren Kenntnisse er eigentlich den Muslimen verdankte, wissenschaftlich vorlegte, exkommunizierten ihn die Päpste und warfen ihn sogar ins Gefängnis. Erst nachdem er seiner Erklärung abgeschworen hatte, indem er sagte, “die Erde dreht sich nicht”, konnte er sich von den Händen der Päpste befreien. Die Muslime wenden sich bezüglich der Glaubenslehre und aller anderen religiösen Kenntnisse nicht an die Vernunft, sondern an den heiligen Koran und Hadithe und folgen ihnen. Sie verändern diese über die Vernunft gehenden Kenntnisse nicht, wie es die Christen tun.]
Beim Kolonialministerium sprach ich von der Nichtübereinstimmung zwischen Sunniten und Schi’iten und sagte folgendes: “Wenn die Muslime auf das Menschenleben Wert legen würden, dann würden sie das sunnitisch-schi’itische Auseinandergehen abschaffen und sich einigen.” Einer unterbrach mich: “Deine Aufgabe ist, diese Meinungsverschiedenheit anzufächen und nicht einmal darüber nachzudenken, wie die Muslime sich einigen sollten.
Bevor ich eine Reise nach Irak machte, gab mir der Sekretär folgenden Rat:
“Hempher, du solltest wissen, dass es unter den Menschen seit Erschaffung von Kain und Abel Widersprüche gibt. Diese Streitigkeiten werden bis zur Rückkehr von Messias fortwähren. So steht es mit allen Streitigkeiten in bezug auf Land, Rasse und Religion.
Deine nächste Aufgabe ist, dich nach den Streitigkeiten zwischen den Muslimen gut zu erkundigen und das Ministerium zu benachrichtigen. Wenn es dir gelingt, die Zwietracht zwischen den Muslimen zu verstärken, so wirst du den besten Dienst für England geleistet haben!
Wir Briten müssen, in allen Ländern und unseren Kolonialländern Unruhe und Zwietracht stiften, um im Wohlstand und Frieden zu leben. Das Osmanische Reich ist erst durch solche Zwietracht und Streiten zugrundezurichten. Wie könnte sonst eine Nation mit weniger Bevölkerung über eine andere mit einer sehr großer Anzahl an Bevölkerung herrschen!
Du solltest allerlei Lücken mit all deinen Kräften herausfinden! Du solltest auch wissen, das Osmanische Reich und der Iranische Staat erleben gerade ihren Tiefpunkt. Darum soll es deine Mission sein, das Volk gegen die Regierenden zum Widerstand zu führen. “Die Geschichte zeigt uns, dass alle Revolutionen durch Volksrebellionen ausgebrochen sind.” Erst wenn die Einheit und Verbundenheit der Muslime zerstört wird und ihre Kräfte auseinandergehen, dann erhalten wir die Gelegenheit, sie zu vernichten!”