„Der Islam ist dem Wissen und den Naturwissenschaften Feind”, ist eine weitere Behauptung.
Wie kann man nur versuchen, sich mit der Wissenschaft dem Islam gegenüber zu positionieren, wo doch der Islam selbst mit Wissen gleichbedeutend ist? An vielen Stellen im edlen Qur‘ân wird die Aneignung von Wissen befohlen und werden Gelehrte gelobt. So sagt Allah, der Erhabene, z. B. Im 9. Vers der Sûre „az- Zumar“, „Die Gruppen“, sinngemäß: „Sind denn die, die wissen, und die, die nicht wissen, gleich? Gewiss sind die Wissenden wertvoller.“
Die Aussagen unseres Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, in denen er das Wissen lobt und zum Lernen ermutigt, sind so berühmt, dass sogar Nichtmuslime diese kennen. So ist z. B. In den Büchern „Ihyâu Ulûmiddîn“, „Die Wiederbelebung der Religionswissenschaften“, und „Mawdûâtu‘l- Ulûm“, „Wissenschaftliche Themen“, wo die Rede von der Vortrefflichkeit des Wissens ist, die ehrwürdige Hadîth, „Lernt das Wissen, selbst wenn es in China ist“, erwähnt. Das bedeutet sinngemäß: „Lernt das Wissen, selbst wenn es an entlegenen Orten der Welt und bei den Ungläubigen ist.“ In einer anderen ehrwürdige Hadîth heißt es: „Lernt Wissen von der Wiege bis zur Bahre.“ Diese Anweisung richtet sich auch an den Achtzigjährigen, der „mit einem Bein im Grab steht“. Sein Lernen ist eine Anbetung. Bei einer Begebenheit sagte der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken: „Bemüht euch für das Jenseits, als würdet ihr morgen sterben, und arbeitet für die Welt, als würdet ihr niemals sterben.“ Und: „Ein geringes an Anbetung mit Wissen ist besser als viel Anbetung ohne Wissen.“ Und: „Der Teufel fürchtet einen Gelehrten mehr als tausend unwissende Anbeter.“ Eine Frau darf im Islam nicht ein Hadsch ohne Erlaubnis ihres Gatten unternehmen oder auf eine Reise gehen. Doch wenn ihr Mann sie nicht selbst lehrt oder ihr nicht erlaubt zu lernen, darf sie ohne seine Erlaubnis sich aufmachen, um Wissen zu erlangen. Man sieht also, dass es zwar nicht erlaubt ist, eine Anbetung wie die Hadsch, die Allah, dem Erhabenen, wohlgefällig ist, ohne Erlaubnis zu verrichten, doch sich ohne Erlaubnis aufzumachen, um Wissen zu erlernen ist nicht verboten. Unser Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, lässt uns wissen: „Wo es Wissen gibt, da gibt es den Islam. Wo es kein Wissen gibt, da gibt es den Unglauben.“ Auch hier wird das Aneignen von Wissen befohlen. Jeder Muslim muss zuerst das Wissen über die Religion und dann das Wissen über Weltliches erlernen.
Es ist unsinnig zu behaupten, der Islam sei den Naturwissenschaften Feind. Naturwissenschaft bedeutet: „Die Geschöpfe und die Naturereignisse betrachten, sie untersuchen und verstehen, und durch Experimente Ähnliches herstellen“, und diese drei Sachen werden im edlen Qur‘ân angeordnet. Es ist eine Fard al-kifâya „gemeinschaftliche Verpflichtung“, sich mit den Naturwissenschaften, dem Handwerk und der Kunst der Herstellung modernster Kriegsgeräte zu beschäftigen. Unsere Religion befiehlt uns, dass wir uns noch mehr als unsere Feinde bemühen. Einige der begeisternden Aussagen unseres Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, die zur Wissenschaft aufrufen, sind im Buch „Se‘âdet-i Ebediyye“, „Das ewige Glück“, 1. Teil, Seite 24 erwähnt. Der Islam ist eine dynamische Religion, die die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften, die Sammlung von Erfahrungen und den Fleiß befiehlt.
Die Europäer haben das meiste in den Naturwissenschaften und die Grundlagen der Wissenschaften aus den Büchern der Muslime übernommen. Als die Europäer noch glaubten, dass die Erde eine Scheibe sei, die von einer Mauer umgeben werde, wussten die Muslime bereits, dass die Erde eine Kugel ist und sich um ihre eigene Achse dreht. Es wurde sogar in der Wüste Sandschar in der Nähe von Musul im Iraq die Länge des Meridians gemessen, und man errechnete die heute bekannte Länge. In den Büchern „Scharhu‘l-Mawâqif“, „Erläuterung des „Standpunkte“, und „Mârifetnâme“, „Das Buch des Wissens“, werden diese Themen ausführlich behandelt. Nûruddîn Batrûdschî, der im Jahre 581 n. H. [1185 n. Chr.] starb, war ein Professor für Astronomie an einer Hochschule in Andalusien. In seinem Buch „Al-Hayât“, „Das Leben“, beschreibt er die Astronomie, so wie wir sie heute kennen. Als Galileo Galilei, Kopernikus oder Newton aus den Büchern der Muslime lernten, dass sich die Erde um eine Achse dreht, und dies so äußerten, wurde es als Verbrechen aufgefasst. Es wurde bereits erwähnt, wie Galileo Galilei von Priestern vor Gericht gestellt und ins Gefängnis geworfen wurde. In den alten muslimischen Schulen gab es besondere wissenschaftliche Fakultäten. Die Schulen Andalusiens bildeten in dieser Hinsicht ein Vorbild für die ganze Welt.
Es war Ibn Sinâ [1] , den die muslimische Welt hervorbrachte, der als Erster entdeckte, dass Krankheiten durch Bakterien verursacht werden. Er sagte vor etwa 900 Jahren: „Es ist eine Art Wurm, der jede Krankheit verursacht, doch leider haben wir nicht die Instrumente, diese zu sehen.“
Einer der großen muslimischen Mediziner, Abû Bakr ar-Râzî, möge Allah mit ihm barmherzig sein, war der Erste, der herausfand, dass die bis dahin als dieselbe Krankheit angenommenen Krankheiten Scharlach, Masern und Pocken verschiedene Krankheiten waren. Werke dieser islamischen Ärzte wurden im Mittelalter als Lehrbücher in allen Universitäten der Welt gelesen. Als im Westen Geisteskranke als „vom Teufel Besessene“ lebendig verbrannt wurden, wurden im Osten in muslimischen Ländern spezielle Krankenhäuser gegründet, um diese Menschen zu behandeln.
Heute gesteht jeder, der Verstand hat, dass die materiellen Wissenschaften und die Naturwissenschaften von Muslimen begründet wurden. Auch westliche Wissenschaftler bestätigen dies. Einige Feinde des Islam, die in muslimische Länder eindrangen und sich als Muslime ausgaben und sich Gehör verschafften, berichteten von neuen wissenschaftlichen Errungenschaften und deren Möglichkeiten, und von neuen Waffen und sagten: „Das sind alles Erfindungen der Ungläubigen – wer sie benutzt wird selbst ungläubig“, und täuschten somit die Unwissenden. Sie ließen die Menschen die Anweisung Allahs, des Erhabenen, „Lernt in allen Bereichen“, vergessen. Diese Infiltration war einer der Gründe, warum die Muslime im Wissen und in den Wissenschaften zurückblieben. Der Westen erlangte durch neue Gerätschaften und neue Waffen Überlegenheit. Einerseits versuchten die Feinde des Islam die Muslime, wie gerade erwähnt, zu täuschen, andererseits behaupteten sie, dass Muslime die Naturwissenschaften verabscheuten, materielles Wissen nicht wünschten und dass der Islam Rückwärtsgewandheit und Fanatismus bedeute, und versuchten so die Jugend vom Islam abzubringen und den Islam von innen zu zerstören.
Jene, die die Verbreitung der Buchpresse in Ländern des Osmanischen Reiches 200 Jahre später als im Westen damit zu erklären versuchen, dass sie behaupten, dass es im Islam verboten sei, Bücher mit der Presse zu drucken, irren sich darin völlig. Der Grund für die späte Verbreitung der Druckerpresse im Osmanischen Reich waren Schreiber und Kopisten, die fürchteten, arbeitslos zu werden, wenn Bücher durch Druck vervielfältigt würden. Sie machten vielerlei Propaganda, um zu verhindern, dass sich der Buchdruck im Osmanischen Reich verbreitete, wie z. B. durch einen Protestmarsch zum Sultanspalast, wobei sie ihre Schreibfedern in einem Sarg trugen. Sie benutzten auch manche Fanatiker, von denen nachfolgend die Rede sein wird, und ließen diese Parolen sprechen wie: „Die Druckerei ist nicht mit dem Islam im Einklang.“ Doch der osmanische Sultan Ahmed Khân III [2] , der sah, dass diese Leute den Islam für ihre persönlichen Zwecke missbrauchen wollten, wollte mit seinem Großwesir Damâd Ibrâhîm Pascha diese Sache ein für alle Mal erledigen und bat die höchste Autorität im Islam, den Schaykhu‘l-Islam, um eine Fatwâ bezüglich der Druckerei. Die Fatwâ, die darauf vom Schaykhu‘l- Islam der Zeit, Abdullah Efendi, gegeben wurde, ist im „Bahdschatu‘l-Fatawâ“, „Die Schönheit der Fatawâ“, auf Seite 262 folgendermaßen aufgezeichnet:
„Hiermit wird die Fatwâ erlassen, dass die Einrichtung von Druckereien erlaubt und gut ist, da sie es ermöglicht, dass Bücher in kurzer Zeit vervielfältigt werden können, dadurch nützliche Bücher günstig erworben und überall verbreitet werden können.“ Diese Fatwâ reicht aus, um zu zeigen, wie unsinnig die Behauptung ist, dass die Druckerei dem Islam zuwider sei. Der Ausdruck „Fanatiker“, der zuvor benutzt wurde, ist als jemand zu verstehen, der grob und unwissend ist und seine korrupten und vom Islam abweichenden Gedanken und politischen Auffassungen als religiöses Wissen präsentiert. Solche Leute verdrehen wahres religiöses Wissen, um ihre verdrehten Gedanken und falschen Überzeugungen aufzuzwingen. Manche von ihnen werden dabei durch ihre Titel oder durch Gesetze, hinter denen sie Schutz nehmen, ermutigt, und die meisten von ihnen durch ihren Missbrauch des Glaubens der Muslime. Sie sind jene, die große Menschenmengen hinter sich sammeln und Aufspaltung und Kämpfe unter Brüdern verursachen. Die schädlichsten und gefährlichsten Fanatiker sind jene religiösen Fanatiker, in den Wissenschaften oder in der Politik, die für Besitz, Geld und Ämter Propaganda für fremde Ideologien, Reformer im Islam und Weglose (Leute, die keiner Rechtsschule folgen) machen und dadurch den Glauben und den Charakter der Menschen verderben.
[1] Ibn Sinâ Husayn starb 428 n. H. [1037 n. Chr.] in Hamadan.
[2] Ahmed Khân starb 1149 n. H. [1736 n. Chr.].